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Die Digitale Wochenschau KW 50 #dpr

Digitale WochenschauAn dieser Stelle und unter dem Label “Digitale Wochenschau” erscheinen Kuriositäten, Trends und Entwicklungen aus dem digitalen Alltag eines Verlagsmenschen.
Die “Digitale Wochenschau” ist Bestandteil des “digital publishing report”, der alle 14 Tage kostenlos erscheint und unter www.digital-publishing-report.de ebenso kostenlos bezogen werden kann.

Kroatien wird zur freien Lese-Zone
Journalisten und ihr Hang zu möglichst reißerischen Headlines – dann kann es passieren, dass Kroatien eben mal schnell zur freien (elektronischen) Lese-Zone wird: „Croatia Becomes First Free Reading Zone Country in the World“ titelt etwa das Online-Magazin „croatiaweek“. Tatsächlich geht es darum, dass ein israelisches Unternehmen, Total boox, eine Leseplattform anbietet, im Moment mit Ausrichtung auf Bibliotheken und Büchereien, um deren digitale Inhalte sinnvoll aufbereitet anzubieten.
Daneben betreibt Total boox ein Projekt namens „Free reading zone“, hierbei sollen lokale gebiete kostenlos mit Literatur versorgt werden: „People can now log in to the virtual library from anywhere inside Croatia’s borders and access more than 100,000 books in a number of languages, including English, French, Spanish, Italian, German and Croatian for free. There is no need for any special code or membership cards.“
Nun sind 100.000 Titel nur die Spitze des Eisbergs, schaut man sich das Titelportfolio der grossen Plattformen an. Das Public-Domain-Projekt Project Gutenberg an, das 1971 von Michael S. Hart gegründet worden war, enthält allein schon 50.000 gemeinfreie digitale Werke. Insofern kann man hier eher von einem Marketing-Gag sprechen, allein technisch wäre es schon gelinde gesagt eine extreme technische Anstrengung, jeden Winkel Kroatiens mit digitaler Literatur zu versorgen.

Die App „A-Stories“ soll ein neues Entertainment-Format werden
„Eine App mit spannenden Roman-Geschichten und zusätzlichen Features: von 360°-Animationen über Hintergrundinformationen bis zu interaktiven City-Trips. Das alles in einer lebendigen Community vereint!“ Irgendwie kommt einem das bekannt vor, der eine oder andere Verlag kann hier Geschichten von ähnlichen meist gescheiterten Projekten ein Lied singen (wobei das Scheitern nicht zwingend immer mit der Produktidee zusammenhing). Spannend ist bei „A-Stories“ der Kopf dahinter: Katharina Sylvester-Thyrann, Kommunikationsberaterin, Head of Finance und Coach in der Kommunikationsagentur Innoreal – und damit jemand außerhalb der klassischen Verlagsbranche. Und die Finanzierung, die über Crowdfunding auf der Plattform Startnext funktionieren soll.
Bleibt abzuwarten, ob dieser Ansatz des „Literatur mit allen Sinnen erleben“ wirklich einen relevanten Markt hat und wie die Skalierung dann doch aufwendig produzierten individuellen Contents funktionieren soll. Dazu werden wir Katharina Sylvester-Thyrann in einer der nächsten Ausgaben des digita publishing report ausführlicher befragen.

Bücher verkaufen mit Facebook und #ReadtoLead
„Facebook launched a campaign called #ReadtoLead and is asking for leaders to share the books that have influenced them most in 2016. High-profile leaders like Richard Branson and Bill Gates have already weighed in with their picks, citing titles ranging from Phil Knight’s Shoe Dog to Steinbeck’s Travels with Charlie“ (Inc.) Die Aktion geht vom 5. bis 9.Dezember und wird sicher einen Schub bei den empfohlenen Büchern bringen, das ist schon abzusehen – auch wenn einer der Gründe dafür, wie von Inc. angeführt, ein ganz banaler ist: „bringing attention to the importance of reading to business leaders“. Wenn man Unternehmenslenkern mit einer solch großangelegten Aktion eine Art „Leseförderung für Chefs“ angedeihen muss steht es wohl schlecht um die amerikanischen Unternehmen.


Da klingt es schon ehrlicher, was Jamil Walker, corporate communications manager bei Facebook, meint: „The campaign is not an effort to boost book sales, but rather „a campaign for the many influencers who use our product to connect with their constituents…that while Facebook has yet to engage directly with publishers, that could change.“
Was spräche gegen eine konzertierte nationale Aktion großer Managementzeitschriften, Buchverlagen und Facebook auch hierzulande? Bräuchte man dann eigentlich nur noch entsprechende Testimonials. Man darf schon gespannt sein, welche Literatur der Affe des Trigema Chefs Wolfgang Grupp empfiehlt.

GehaltGehaltsstudie Verlage: Beim Geld hört der Spaß auf
Die Geheimniskrämerei um die Höhe eines Gehalts ist einerseits nachvollziehbar, mitunter aber auch etwas anstrengend, etwa wenn es darum geht, das eigene Salär in Bezug zu Kollegen zu setzen („Bekomme ich weniger?“) oder in Gehaltsverhandlungen etwa bei Neueinstellung. Bei der typisch unkreativen Headhunter-Frage „Nennen Sie Ihre Gehaltsvorstellung“ bricht denn auch den meisten Aspiranten der Angstschweiß aus.
szv_verlagsangestellte_awa_21016Der SZV, der Südwestdeutsche Zeitschriftenverlegerverband e.V., hat sich dieses Themas angenommen und in einer Infografik die Daten der Allensbacher Werbeträger-Analyse 2016 untersucht. Ergebnis: „Die Betrachtung fiel dabei auf die Zielgruppe der Vollzeit Berufstätigen mit dem beruflichen Fachgebiet Journalismus, Publizistik und Verlagswesen, der in Deutschland rund eine halbe Million Menschen angehören. Diese sind im Schnitt 45,7 Jahre alt und verfügen über ein monatliches Netto-Einkommen von 2.742 Euro. Rund die Hälfte von Ihnen hat ein abgeschlossenes Studium. Mit 54 Prozent Anteil gibt es einen leichten Überschuss an Männern. Die meisten Beschäftigten im Verlagswesen sind in Nordrhein-Westfalen zu Hause (25%), gefolgt von Baden-Württemberg (14%), Hessen und Bayern (beide 11%). Ein Großteil von Ihnen lebt in Ballungsräumen (36%) bzw. Stadtregionen (31%). 21 Prozent von ihnen zählen zu den Innovatoren.“
Vor allem die regionalen Ergebnisse mögen mit dem Blick auf die (Buch)Verlagsbranche wenig überraschen. Allerdings ist dann eben doch der Rückschluss auf diese Branche etwas schwierig, der hohe Anteil der Männer resultiert wohl eher aus der Hinzunahme des Bereichs „Journalistik, Publizistik“, zumindest subjektiv muss man einem der Ergebnisse der Studie „MehrWert. Arbeiten in der Buchbranche heute“ der BücherFrauen e.V. zustimmen, die trocken konstatiert: „Die Buchbranche ist weiblich“. Vielleicht nicht so hoch wie der ebenfalls in der Studie ermittelte Frauenanteil im Buchhandel (über 80%), aber sicherlich höher als 46 Prozent.
Auch das genannte monatliche Netto-Einkommen von 2.742 Euro ist wenig vergleichbar – zumal sich auf Nachfrage bei Allensbach selbst herausstellte, dass dies das Haushaltseinkommen ist. Der sicher etwas plakative Fall einer halbtags arbeitenden Lektorin, die mit einem Chefarzt verheiratet ist, ergibt hier eben auch keine klare Antwort auf die Frage: „Was verdient jemand mit vergleichbarem Aufgabengebiet und Erfahrung?“.
Da hilft dann meistens ein Blick in die Entgelttarifverträge ein klein wenig weiter. Die von Allensbach ermittelten Gehaltswerte (lassen wir die Tatsache, dass es sich sowieso um das Haushaltseinkommen handelt) von 2.742 Euro entsprechen der Eingruppierungsstufe III nach dem 4. Tätigkeitsjahr. Die Gruppe selbst wird so definiert: „Tätigkeiten, die im Rahmen allgemeiner Anweisungen ausgeführt werden. Voraussetzung sind erweiterte Kenntnisse und Qualifikationen, wie sie in der Regel durch eine abgeschlossene Berufsausbildung oder durch ergänzende berufsbezogene Weiterbildung oder Berufserfahrung oder durch Aneignung zusätzlicher Kenntnisse im jeweiligen Sachgebiet erworben werden.“ Das ist profan ausgedrückt gehobenes Sachbearbeiter-Niveau.
Dazu kommt natürlich noch die Situation, dass beileibe nicht alle Verlage dem Tarifraum angehören, wobei man dies zumindest nach dem Urteil des Bundesarbeitsgerichtes zur Sittenwidrigkeit bei Gehältern von 2009 rechnerisch insofern eingrenzen kann, als dass eine Entlohnung 1/3 unter dem üblicherweise gezahlten Tariflohn sittenwidrig und nicht rechtens ist.
An der Tatsache, dass der SZV diese Zahlen aus Allensbach analysiert hat ist nichts Ehrenrühriges, allerdings ist der Bezug zur (Buch)Verlagsbranche auf den ersten Blick nicht wirklich gegeben. Vielleicht wäre es einmal an der Zeit, diese Daten spezifisch und aktuell für die Verlagsbranche zu erheben oder zu errechnen.

Mediengruppe Dumont kauft Softwareanbieter Facelift
Schon einmal von Facelift gehört? Nein? Nicht schlimm – das Hamburger Unternehmen mit Startup-Status baut Software: „Die Facelift Cloud ist die … Software-Lösung mit allen Komponenten für professionelles Social Media Marketing auf Enterprise-Level.“ Fein.
Interessanter ist schon, dass sich das das Kölner Verlagshaus hier stark involviert, was mit Sicherheit auch daran liegt, dass man hier in Sachen Digitalisierung die letzten Jahre eher verhalten agiert hat und nun aufzuschließen versucht. Interessanter dürfte aber sein, dass sich der Trend zu Aufkäufen von Technologie(anbietern) durch Medienhäuser fortsetzt ebenso wie der Trend zur Geschäftsfelddiversifizierung mit digitalen Geschäftsmodellen. Kürzlich hat das OC&C untersucht und eine kleine Studie unter dem Namen „Gute Saat, Goldene Ernte“ herausgegeben, die dort auch kostenlos bezogen werden kann. Ergebnis, so der erfahrene Branchen-Beobachter Hugo E. Martin: „Die nicht-markenbezogenen Online-Aktivitäten von deutschen Medienunternehmen nehmen nach einer Analyse der OC&C Strategy Consultants in 2016 wieder zu. Sie wachsen bei digital aktiven und erfahren Unternehmen deutlich, während andere bevorzugt auf ihre Chance warten. Der Einfluss von Startups, Change im Unternehmen und Auslandsaktivitäten nehmen zu.“

Veranstaltungstipp: Das eBookCamp München im Februar 2017
Es gibt Veranstaltungen, die nicht „nur“ vom offiziellen Wissenstransfer leben, sondern mindestens genauso vom informellen Austausch nach dem Motto „Wie macht ihr denn das?“. Und nicht umsonst haben diese Veranstaltungen dann auch einen lockeren Rahmen, vom Umgang bis zur Location und nahe am BarCamp. Eine dieser Veranstaltungen für die Freunde digitaler Produkte sind die eBookCamps, traditionell mit einer Veranstaltung in Hamburg (die 2016 leider entfiel), dort wurde das Konzept auch begründet – und einem südlichen Pendant in München auf Initiative des AKEP, der ja heute IG Digital heisst. Und im Februar ist es wieder soweit und ein Anlaufpunkt, um auf alte Kollegen und neue Projekte zu treffen: „Beim eBookCamp geht es ums digitale Publizieren in allen Facetten. Um die Frage, was überhaupt noch ein BUCH ist. Wie wir zukünftig lesen. Wie wir lesen wollen. Was Verlage, Buchhändler und Leser tun können, um die schönste aller Lesewelten zu gestalten. Mit welchen Problemen man sich dabei konfrontiert sieht. Und wie sich gemeinsam Lösungen finden lassen um das, was wir lieben, möglicherweise noch besser zu machen: das Buch. Atmosphärisch geht es beim eBookCamp darum, sich breit zu vernetzen und fundiert zu informieren, unbefangen Erfahrungen auszutauschen, Ideen zu entwickeln sowie munter Perspektiven zu wechseln. Am 18. Februar 2017, um 13:00 Uhr startet das 4. eBookCamp in München, veranstaltet von der IG Digital und dem Landesverband Bayern des Börsenvereins. Es findet statt im WERK1, Grafinger Str. 6, 81671 München.“ Also: Karten ordern (kosten gerade einmal 20.- Euro) und hingehen!

hipster christmasHipster Christ can turn water into craft beer
Es ist ja bald Weihnachten und unter den Leserinnen und Lesern des digital publishing report gibt es sicher noch einige, die auf der Suche nach einem ausgefallenen Geschenk sind. Für knappe 129 Dollar kann man nämlich ein Hipster-Krippenspiel für das 21. Jahrhundert erwerben und wem wird es nicht warm ums Herz bei einer Josef-Figur beim Selfie, einer Maria mit Duckface und Lattematschiato-Becher in der Hand, während die eiligen 3 Könige auf ihren Sedgeways heranrollen, mit Amazon-Paketen unter dem Arm (spätestens jetzt hat sich die Frage erledigt, ob das Set nicht etwas für den befreundeten Buchhändler wäre). Und mit diesem kleinen Ausflug in das Reich der Dinge die kein Mensch braucht beschließen wir für dieses Jahr die News-Rubrik. Gute Nacht.

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