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Rückzug vom Sündenfall des kostenlosen Inhalts? Zeitungen setzen vermehrt auf Paywall #chartderwoche

Der Sündenfall

Der Sündenfall (c) Wikimedia

Vor kurzem hatte der Chefredakteur der „Rhein-Zeitung“ öffentlichkeitswirksam angekündigt, zukünftig seine Inhalte hinter eine Paywall zu stellen – ein Vorhaben, das bei Thomas Koch, einem versierten Kenner der Branche, auf breite Zustimmung stieß: “ Als einer der ersten Zeitungsmacher unseres Landes hat er Konsequenzen aus dem zweitgrößten Fehler gezogen, den die Zeitungen seit Beginn des digitalen Zeitalters machen konnten: Ihren wertvollen und teuren Content kostenlos ins Netz zu stellen… Die „Rhein-Zeitung“ wagt es also, wieder Geld für ihre Dienste zu verlangen. So wie es die Zeitungen Jahrhunderte lang taten. Zumindest bis das Internet aufkam“. Für ihn ist hier auch ganz klar ersichtlich, wie die Zukunft für die Zeitungen im Digitalen aussehen wird: „Der Ausweg, das dürfte den Verlegern inzwischen klar sein, ist die Paywall. So überrascht nicht, dass immer mehr Zeitungen, nach „Bild“ zuletzt auch die „Süddeutsche Zeitung“, mit verschiedenen Modellen experimentieren…Der Leser ist selbstverständlich bereit, für hochwertigen und einzigartigen Zeitungs-Content zu zahlen.“

Zwar kritisiert Koch die vielen verschiedenen Paywall-Modelle als unübersichtlich (dazu unten mehr). Aber es sollte auch nicht unerwähnt bleiben, dass die Medien-Industrie ihre Angebote ja nicht mutwillig kostenlos zur Verfügung stellte, weil es irgendeine festgelegte Komponente des Internets ist. Sondern man hat sich damals für ein anderes Geschäftsmodell entschieden, nämlich die Reichweiten-Monetarisierung (auf gut Deutsch: Anzeigengelder). Dumm nur, dass flinkere Player, allen voran Google, diesen Bereich erfolgreich für sich reklamiert haben – dass eine Suchmaschine ohne jedweden journalistischen Content, aber einem genialen Service, jede Edelfeder damit blass aussehen ließ.

Andererseits muss man natürlich zugestehen, dass im historischen Rückblick jeder schlauer ist und ein falsches Pferd sich immer erst nachträglich als solches herausstellt. Nach 20 Jahren jetzt aber das Rad zurückdrehen wollen? Und ist die junge Zielgruppe, verwöhnt von always on und Streaming-Modellen wirklich „selbstverständlich bereit, für hochwertigen und einzigartigen Zeitungs-Content zu zahlen“, wie Koch es formuliert? Da scheint wohl doch der Wunsch Vater des Gedankens zu machen, denn es ist schon fraglich, ob der „Need“-Faktor groß genug ist. Und selbst wenn alle Zeitungen beschließen würden, Paywalls aufzubauen – dieses Modell funktioniert nur, wenn das Kanal- und Nachrichtenmonopol bei ihnen liegen würden. Aber das tun es schon lange nicht mehr.

Hier aber nun die Übersicht des Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger zum Thema Paywalls, wie immer schön aufbereitet von statista (auch so ein erfolgreiches Geschäftsmodell, an das vor zehn Jahren kaum jemand gedacht hätte). Wobei „Freemium“ noch die sanfteste Mauer ist, hier werden selektiv Artikel nur gegen Bezahlung angeboten, während das „metered Model“ einen zeitlich limitierten Zugriff auf das komplette Angebot erlaubt. Nur 6 haben echte Paywalls – und interessanterweise traut dem freiwilligen Zahlen nur eine Zeitung über den Weg, und das ist die Taz. Man kann aber mit Sicherheit davon ausgehen, dass in den nächsten Jahren noch weitere diesem Beispiel folgen werden. Ob mit Erfolg – das sei dahingestellt.

Infografik: 106  deutsche Zeitungen setzen auf Paywall | Statista

Mehr Statistiken finden Sie bei Statista

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