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Eine Krankenkasse tanzt den Digital-Tango – bloß im falschen Rhythmus

TangoDie Barmer GEK ließ verlautbaren, dass Sie, um fit für die Zukunft zu sein, „Jobs abbauen“ würde. Konkret geht es dabei um 3500 Jobs, mehr als jede fünfte Stelle. Dazu gehört auch die Schließung vieler Filialen. Nun könnte man (leicht betroffen, den hinter diesen Zahlen stecken schließlich Schicksale) mit den Schultern zucken – so ist es eben heutzutage, eine Entwicklung, die von anderen Unternehmen wie etwa der Post oder vielen Banken schon lange vorgemacht wird. Ins Grübeln kommt man aber, wenn man sich die Begründung dazu genauer anschaut.

So zitiert das Manager Magazin den Unternehmenssprecher Athanasios Drougias mit einer „Qualitätssteigerung als Ziel. Spezialisierte Telefon- und Online-Geschäftsstellen würden aufgebaut. In den Geschäftsstellen vor Ort würden mehr Mitarbeiter konzentriert, um einen Rund-um-Service ohne lange Wartezeiten zu gewährleisten. „Analysen zeigen, dass die Versicherten immer häufiger über das Telefon und das Internet mit uns kommunizieren, weniger in die Geschäftsstellen kommen.“ Auch die Social Media-Kanäle werden maßgeblich genannt.

Gut, Kommunikation wandert ins Digitale ab – zugegebenermaßen ist der werte Autor dieses Blogbeitrags ja einer der Apologeten dieser Entwicklung. Allerdings muss man sich hierbei auch über die Konsequenzen im Klaren sein – und wenn man sich das Verhalten vieler Unternehmen im Bereich Kundenberatung und -support im Internet und Social Media anschaut, beschleicht einen doch das Gefühl, hier gehe es schlicht um eine rein betriebswirtschaftliche Einsparungsmaßnahme. Vielleicht mag das eine Milchmännchenrechnung sein, aber warum geht ein dermaßen umfassender Stellenabbau mit einem gleichbleibend guten Kundenservice (neutral gesagt, ich bin nicht Kunder der Barmer) einher? Kommunikation ist Kommunikation, eine halbe Stunde Gespräch vor Ort dauert ebenfalls eine halbe Stunde in anderen Kanälen. Gut, Prozeßoptimierung – aber in diesem Umfang scheint das schlicht selbst unter professionellstem technischen Einsatz (der angezweifelt werden darf) fraglich. Wenn man böse wäre, könnte man behaupten: vermutlich saß einmal ein maßgeblicher Manager in einem Seminar zu „Kundenservice der Zukunft“ und hängen blieb sicherlich nur der Punkt, dass damit Geld zu sparen sei.

Wenn das mal für viele Unternehmen kein Trugschluß wird. Trugschluß insofern, als Sparen am Kundenservice (und darauf läuft es hinaus) noch nie sinnvoll war. Und was ebenso gern übersehen wird: die Regeln in der digitalen Welt sind andere, der Tango hat einen anderen Rhythmus.

Im Rhythmus man mit muß…

Mensch redet gern mit Mensch. „Bitte drücken Sie die 1 für Beinamputationen…“ kann nicht die Kommunikation sein, die ein Kunde sich wünscht. Jedenfalls nicht nur, wenn es um unfangreicheere Beratung geht. Und wie schwer vielen Unternehmen gerade diese Kundenkommunikation in Social Media fällt ist tagtäglich zu beobachten. Zumal statt des halbvertraulichen Gesprächs in einer Filliale digital eine Öffentlichkeit stattfindet, die im Zweifel nicht im Interesse eines Unternehmens sein kann. Wenn der persönliche Kontakt zum Kunden dadurch verloren geht, ist die Frage, welche Wertigkeit in Zukunft „Marken“ und „Preis“ haben werden. Markenbindung und -loyalität nimmt im schlimmsten Fall rapide ab, der Preisvergleich tritt immer mehr in den Vordergrund, schließlich ist der Konkurrent mit seinem verlockenden Angebot nur einen Klick entfernt. Das muss man sich beim Thema „Kosteneinsparung“ klar vor Augen halten.

tl;dr
Die (teilweise) Verlagerung von Endkundenkommunikation in digitale Kanäle ist sicher sinnvoll. Sie als reine Kosteneinsparungsmaßnahme zu sehen ist aber ein fataler Trugschluß.

Bildquelle: Flickr Patrick McDonald
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