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E-Book-Markt Deutschland knapp vor 10% (Analyse)

eReaders Vs Paper BooksEinmal im Jahr schlägt in Frankfurt die Stunde des E-Books: bei der Präsentation der Marktzahlen, basierend auf den Erhebungen der GfK, vor allem aber auch der umfangreichen Befragung der Mitgliedsverlage und -buchhandlungen des Börsenvereins. Aussage für das Jahr 2012: das E-Book erreicht jetzt wirtschaftliche Relevanz.

Kurz zur Marktstudie, die eigentlich aus zwei Erhebungen besteht: in der Presse werden zumeist die Zahlen der GfK kolportiert. Hierzu muss man wissen, dass die GfK-Zahlen auf dem Verbraucherpanel MediaScope Buch, das keine Schul- und Fachbücher erfasst basieren – vor allem der Fachbuchbereich ist aber im digitalen Bereich ein Umsatztreiber. Zudem ist dies eine (wenn auch sehr detaillierte und zuverlässige) Befragung am Point of Sale, also beim Endkunden, hier wird also auch nicht zwischen E-Book-Titeln eines Verlages oder eines Selfpublishers unterschieden.
Die kompletten Buchproduktionsbereiche werden dagegen in der Umfrage unter den Mitgliedern des Börsenvereins erheben.

Leseverhalten (GfK)

Die Akzeptanz für das E-Book nimmt zu: seit 2009 ging die Anzahl der Teilnehmer, die ihr Geld lieber in gedruckte Bücher investieren, von 82% auf 72% zurück, die empfundene Überlegenheit des gedruckten Buches sehen 2012 81% statt 88% in 2009. De facto muss aber immer noch von einer gewissen (vorsichtig ausgedrückt) Reserviertheit gegenüber digitalen Büchern in Deutschland gesprochen werden. In Summe geht aber der Anteil derer, die ausschließlich gedruckte Bücher lesen wollen (also der harte Kern der Papierfetischisten) weiter zurück, von 49% in 2012 auf jetzt 2012 40%.

Die Analyse des Lese-Ortes ist ebenfalls interessant, wenn auch nicht wirklich überraschend. Digital gelesen wird im mobilen Bereich, also auf Reisen – hier schlägt sich der platzsparende Vorteil eines E-Readers nieder. Allerdings werden E-Books inzwischen auch an „traditionellen“ Lese-Orten mehr und mehr konsumiert, etwa im Bett, während sich auf dem Sofa und dem Balkon/Garten das digitale und gedruckte Produkt noch weitgehend die Anteile teilen.

Pricing E-Books (GfK)

Der Durchschnittsladenpreis von E-Books ging von 10,71 EUR (2010) über 8,03 EUR (2011) auf jetzt (2012) 7,72 EUR zurück. In der Verlagsumfrage ergab sich zwar, dass das Pricing (siehe unten) im Verhältnis zum Print-Ladenpreis ebenfalls rückläufig war, allerdings sind bei den GfK-Zahlen alle digitalen Produkte erfasst – also auch die in immer größerer Zahl verfügbaren Self-Publishing-Titeln, die zumeist sehr niedrigpreisig anzutreffen sind.

Durchschnittsladenpreis E-Book

Durchschnittsladenpreis E-Book

Interessant ist der Blick auf die Verlagsumfrage: in 2012 ist der Anteil der Verlage, die ihre E-Books günstiger als das Print-Pendant anbieten, auf 87% gestiegen (von 69% in 2011). Und, Überraschung: immerhin 48% aller befragten Verlage bieten ihre E-Books sogar unter der alten Daumenmarke von 20% unter Print-Preis an.

 

 

Umsatzanteil E-Books (Verlagsumfrage): 10% greifbar nahe

Die überraschendste Zahl dürfte der Anteil von E-Books an den Umsätzen der Verlage sein: geschätzt hatte man 2011 für das Folgejahr noch 7,2%, erreicht wurde real in 2012 tatsächlich ein Umsatzanteil von 9,5%.

E-Book Markt Verlage

E-Book Markt Verlage

Damit ist das E-Book aus der alten „Das sind ja gerade einmal 1%!“-Falle, die Teile der Presse, aber auch der Branche zu reichlich ernüchternden Prognosen der Vergangenheit verführten. Insofern ist der vom Börsenverein gewählte Begriff „Relevanz“ frei vo jeder Euphorie aber sehr treffend. Wer sich von Produzentenseite mit dem Thema E-Book noch nicht beschäftigt hat sollte sich jetzt schleunigst über die Gründe seiner Verweigerungshaltung Gedanken machen.

Die Prognosen für die nächsten Jahre scheinen auch etwas (aber dies ist Interpretation) zurückhalten auszufallen: für das Jahr 2015 wird mit 16,2% gerechnet, auf nahe Sicht für 2013 mit 10,6%.

Die Schätzungen der Verlage der letzten Jahre für die Folgejahre wurde bisher jährlich übertroffen und bei aller begründeten Ansicht, dass es demnächst zu einer ersten Marktsättigung kommen wird könnten die Resultate die nächsten jahre auch deutlich höher ausfallen. Doch auch dies ist Interpretation.

Verlage und das E-Book (Verlagsumfrage)

Über die Hälfte aller befragten Verlage haben nun E-Books im Angebot, der Anteil stieg von 35% (2010) auf 53% (2012). Hier ist aber bei aller Freude noch sehr viel Luft nach oben. Geplant haben demzufolge 84% die Aufnahme von E-Books ins Angebot, die Zahl der „Verweigerer“ ging von 22% (2011) auf 16% (2013) zurück.

Die Integration des E-Books in die Verlagsprozesse spiegelt sich auch im Verhältnis von Neuerscheinungen zu Backlist-Titeln als E-Book: während 2010 nur 39% aller Novitäten als E-Book verfügbar waren, sind es 2012 54%. Hier haben die Verlage ihre Hausaufgaben (mit großen Anstrengungen der Kollegen) gemacht und der Trend, jedes Printbuch auch als E-Book verfügbar zu machen, setzt sich fort.

Insgesamt steigt auch die Anzahl der Publikumsverlage, die E-Books anbieten, von 33% (2010) auf 49% (2012). Dies ist insofern eine positive Entwicklung für den digitalen Markt, da mit einem größeren Angebot im Publikumsmarkt auch das E-Book einer größeren („populäreren“) Zielgruppe zugetragen wird.

Handelswege und Distribution (Verlagsumfrage)

Der Direktvertrieb der Verlage, der insgesamt vom Sortiment argwöhnisch beobachtet wird, ist in der Realität gesunken: von 26% in 2010 auf 14% in 2012.
Gestiegen ist aber der Anteil des Online-Buchhandels, und zwar von 59% in 2010 auf satte 72% in 2012. Damit setzt sich die E-Kommerzialisierung der gesamten Handelströme auch beim E-Book fort. Branchenweit hat der Bereich des Internetbuchhandels in 2012 immerhin um über 10% zugelegt.

Natürlich ist die Belieferung des Kunden seitens der Verlage über seine bevorzugte Plattform absolut nachvollziehbar. Zudem bestimmt die Hardware, also der E-Reader und die darauf implementierte Plattform, den Markt. Allerdings steigt hier die Abhängigkeit von den zwei größten Playern (sagen wir es deutlich: von Amazon und Apple) deutlich und läßt für die Zukunft nichts Gutes vermuten. Dass hier eine ausbaubare direkte Kundenbeziehung fahrlässig aus der Hand gegeben wird sei hier nur am Rande erwähnt.

Zur Verteilung der Marktanteile dürfte auch die Untersuchung von Bianca Corcoran (GfK) interessant sein, die anläßlich der Konferenz buchreport TOC weitere Daten vorlegte:
Amazon liegt hier bei 41% Marktanteil, Thalia bei 16% (mit buch.de und bol.de), Weltbild bei 18%, Apple liegt mit 10% auf Platz 4.

Fairerweise muss man dazusagen, dass viele Verlage dies ebenso sehen: die Konzentration bei wenigen Online-Plattformen bereitet Sorge, und zwar 90% (2012) der Befragten – 2011 waren es noch 84%. Allerdings ist dies die Sorge um die Branche gesamt, für das eigene Unternehmen sehen viele Verlag das Risiko geringer (72%).

E-Book kannibalisiert Print – oder?

Ein anderes altes Thema: wie wirkt sich das E-Book auf den Verkauf des Print-Produkts aus? Dies sehen in 2012 81% aller Verlage als Risiko – allerdings auch wieder für die Branche gesamt, für das eigene Unternehmen sehen dies nur 56%.
Das hat hauptsächlich mit dem unterschiedlichen Produktportfolio der Verlage zu tun – Digitalisierung wirkt sich bei Publikumsverlagen anders aus als bei Fachverlagen. Gerade Kollegen aus Belletristikverlagen machen sich durchaus zu recht Sorge um ihre Taschenbuch-Ausgaben oder -Lizenzen und es scheint hier eine Substitut-Wirkung zu geben.

Ein Lichtblick könnte auch hier die Untersuchung von Bianca Corcoran (GfK) sein. Nach ihrer Analyse gab es eine nicht unbeachtliche Menge an „Zuwanderern“, die zuletzt keine gedruckten Bücher mehr gekauft hatten. Mit ihnen wurden 2012 14 Mio. Euro in die Kasse gespielt, bei einem Gesamtvolumen von 87 Mio. Euro also ein Zuwachs von 16% Neukunden für den Buchmarkt.
Was das Zahlenmaterial angeht hier noch einmal der Hinweis auf die unterschiedlichen Meßverfahren von GfK und der Branchenumfrage – als Trendaussage aber mit Sicherheit wichtig.

E-Book-Formate

Hier macht sich Ernüchterung breit: der Ruf nach Standardisierung (konkret: Epub) weicht der Erkenntnis, dass es auch zukünftig eine Vielzahl von Formaten geben wird. Dies glauben 2012 immerhin 51%, 2011 waren es noch 44%.
Ohne dies detailliert vertiefen zu wollen: Verlage wären gut beraten, proprietären Formaten entgegenzutreten – es nivelliert Oligopolbildung, was Marktteilnehmer wie Amazon und Apple angeht und es erleichtert schlicht die technischen Workflows.

Das E-Book und der Buchhandel

Kurz gesagt: Während die Umsatzschätzungen der Verlag eher verhalten waren und von der Realität übertroffen wurden, müssen die des Buchhandels permanent nach unten korrigiert werden.

E-Book Markt Buchhandel

E-Book Markt Buchhandel

So wurde für 2012 im Vorjahr ein Umsatzanteil von 1,2% erwartet, tatsächlich waren es nur 0,5%. Die Interpretation des Börsenvereins, dass dieser Trend durch viele Neueinsteiger im digitalen Geschäft unter den Sortimentern hervorgerufen wird (mit anfänglich niedrigen Wachtsumsraten) und es in 2013 zur Trendwende kommt, soll hier einmal so stehen bleiben.

Insofern ist die Frage, ob die Umsatzeinschätzung der Sortimenter für die Zukunft so eintreffen wird. Immerhin sank diese Progonose für 2015 von durchschnittlich 9,2% (erhoben 2011) auf aktuell 3,2%. Von Dramatik zu sprechen dürfte keine Übertreibung sein.

Da hilft es auch wenig, dass aktuell 70% der befragten Sortimenter E-Reader und/oder E-Books anbieten, E-Books insgesamt von 2/3 aller Sortimenter. Dem Angebot scheint aber keine Nachfrage gegenüberzustehen.

Das führen zumindest die befragten Sortimenter an, zwar sank der Wert für den Punkt „Zu geringe Nachfrage“ von 91% (2011) auf 80% (2012), führt aber immer noch die Liste der Hinderungsgründe an, vor den zu geringen Umsatzmargen (61%) und dem komplizierten Handling (54%).

Auch die Sortimenter wurden nach ihren Zukunftsängsten befragt. Oben in der Liste hier ganz klar die Konzentration der Online-Buchhändler (ähnlich wie die Verlage), allerdings ist die Befürchtung hier sicher nicht nur auf das E-Book bezogen, die „Chimäre Amazon“ bewegt den Buchhandel ja insgesamt sehr. Auch die Sorge um Umsatzverluste im Printbereich bewegt den Buchhandel und ist gestiegen.

Nicht verändert hat sich die Prognose des Verlusts an Umsätzen im Jahr 2015: hier gehen die Buchhändler seit 2011 von 16% Umsatzverlust aus. Auch der Anteil der Buchhändler, die ganz generell Umsatzverluste kommen sehen, ist gestiegen, von 38% (2011) auf 57% (2013). Euphorie klingt anders.

Fazit

Das Bild der letzten Jahre, was den E-Book-Markt in Deutschland angeht, hat sich in Summe fortgesetzt. Die Verlage partizipieren von den Investitionen in ihre Workflows und dem prosperierenden Hardware-Markt. Fast 10% Umsatzanteil sind eine Zahl, die einen unternehmerisch denkenden Verleger beschäftigen muss. Zumindest dahingehend, ob sich hier ein potentieller Markt auftut.

0,5% Umsatzanteil und ein prognostizierter Umsatzverlust von 16% in 2015 muss wiederum den Buchhandel beschäftigen.

Hier trennen sich tradierte Handelswege – dies wird die Diskussion in Zukunft bestimmen, ebenso wie die Diskussion darum, wer diese Lücke ausfüllt. Im Moment tut dies ein amerikanisches Logistikunternehmen, im physischen wie im digitalen. Dass diese Entwicklung zwingend fatale Auswirkungen haben wird liegt auf der Hand. Allein, es fehlt die Alternative. Jedenfalls im Moment.

Für Interessierte hier noch der Link zur E-Book Marktstudie 2012 für Verlage und den Buchhandel

Bildquelle: Flickr Keith Davenport

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