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„Lehrjahre sind keine Herrenjahre“ und andere Plattitüden – zur Aus- und Weiterbildung in der Buchbranche #blogparade

Baby Boy TypingHanna Hartberger und Dennis Schmolk hatten in ihrem (lesenswerten!) Blog „Alles fließt.“ zu einer Blogparade rund um das Thema Aus- und Weiterbildung in der Branche aufgerufen, um aus verschiedenen Blickwinkeln die Anforderungen der Verlage, aber auch die Ausbildungs- und Arbeitssituation von Volontären, Praktikanten zu beleuchten. Zwar in letzter Minute, aber immerhin hier nun ein Beitrag von meiner Seite – versprochen ist versprochen. Zumal ich ja selbst in der Branche aufgewachsen bin, als kleiner Azubi in einem gar nicht so kleinen Verlag. Und im Rückblick feststelle, dass sich vieles gar nicht verändert hat. Aber die wenigen Veränderungen können fatale Auswirkungen für die Branche haben.

Landauf, landab grübeln wichtige Menschen über die Tatsache, dass es schlimm bestellt ist um den Branchennachwuchs. Neue Herausforderungen, die angegangen werden müssten – doch allein, der rechte Nachwuchs dafür fehle. Es wird diskutiert, Konferenzen werden zu dem Thema abgehalten, der „Digital Native“ der Verlagsbranche auf Fahndungsplakate geheftet.
Den „richtigen“ Nachwuchs hatte die Branche aber noch nie. Ich kann mich noch gut an die Unzufriedenheit einer meiner Ausbilderinnen erinnern, die die Abgänger der Fachhochschule Druck in Stuttgart (so hieß die Hochschule der Medien in früheren Zeiten) für zu wissenschaftlich, zu praxisfern hielt – da müsse man quasi noch nach-ausbilden. Und mit dieser Meinung stand sie nicht alleine, im Gegenteil.

Tatsächlich hat sich die Verquickung von Ausbildung und Praxis (mit Ausnahme vieler Berufsschulen) in den letzten Jahren sehr positiv verändert. Regelmäßig sind Praktiker aus Verlagen an den Hochschulen, machen Projekte und Workshops zusammen mit den Studenten, um diese Brücke zu schlagen. Auch Einrichtungen wie der Mediacampus oder die Buchakademie tun das ihre, um die Wissensbasis auch unter Berufstätigen zu erweitern. Und wo alles nichts hilft, machen selbst Mitbewerber unter den Verlagen gemeinsame Sache und organisieren Trainee-Programme.

Moderne Berufsbilder sind nicht mehr auf die Verlagsbranche beschränkt

Eines hat sich aber definitiv verändert: wurden früher noch Drucker, Setzer, Hersteller, Lektoren etc. ausgebildet, dann war klar, daß diese weitgehend der Branche erhalten blieben – Spezialwissen ist eben nicht universell einsetzbar.
Wenn heute aber Nachwuchs gesucht wird, der Apps konzipieren kann, weiß, was Storytelling ist oder Social Media-Präsenzen betreut, dann wird dieser eben nicht nur in der Verlagsbranche gebraucht oder kann nur dort eingesetzt werden. Aus dem „Kampf um die Talente“ ist ein Kampf nicht nur unter Verlagen geworden, hier mischt jetzt auch die Industrie mit, Agenturen oder Startups. Und im Vergleich spielt heutzutage für viele junge Kollegen zwar auch das Geld eine Rolle, mehr aber noch die Innovationsfähigkeit, die „Coolness“ der Aufgaben. Und mit der oft rückwärtsgewandten Traditionsrhetorik hat sich die Branche an diesem Punkt sicher keinen Gefallen getan und gilt leider oft als ähnlich sexy wie Schimmelpilz.

Neue Berufsbilder – neue Anforderungen

Daß viele Berufsbilder der Vergangenheit heute nicht mehr sehr treffsicher sind kann man kaum jemand zum Vorwurf machen. Zu groß war die Dynamik der Veränderungen in den letzten zehn Jahren. Allerdings hilft ein Beharren darauf eben auch nicht, zumal sich zwischen vielen zukünftigen Berufsbildern gar keine klaren Grenzen mehr ziehen lassen. Gleichzeitig kann man kaum davon ausgehen, dass diese Dynamik nachläßt. Dies bedeutet permanente Weiterbildung und diese kostet Geld. Hier wäre eine Möglichkeit, dass Verlage den Schulterschluß suchen, gemeinsam etwa Schulungen organisieren, aber auch den inner- wie ausserbetrieblichen kollegialen Austausch fördern, Freiräume dafür schaffen. Oft hat man Spezialwissen ja schon im Hause, das nur gefördert und verteilt werden muss. Oder der gerühmte Austausch zwischen den Generationen (der allerdings im Moment eher dahin kippt, dass die „Älteren“ von den „Jüngeren“ etwas lernen können, was natürlich völliger Unfug ist) – wenn dieser keinen Raum findet kann er auch nicht stattfinden.

Alternative Arbeitsmodelle oder die Verweiblichung der Branche

Den neuesten Marktstudien des Börsenvereins ist eine interessante Zahl zu entnehmen: 73%. Genau soviele Medienkaufleute waren 2012 Frauen. Im Buchhandel sogar 85%, aber das Sortiment lassen wir hier mal aussen vor. Fakt ist: die Branche ist weiblich. Punkt. Und da heutzutage und auch noch in absehbarer Zeit viele Problematiken der Familienplanung in weiblichen Händen liegen könnte dies ein Ansatzpunkt sein, die Verlagsbranche attraktiv zu gestalten. Dazu müssen alternative Arbeits(zeit)modelle nicht erst eingeführt, aber doch ausgebaut werden, Dinge wie Home Office oder Jobsharing sollten dem heutigen Personaler nicht den Schweiß auf die Stirn treiben sondern zu kreativen Arbeitsmodellen bringen. Schließlich kann es nicht sein, daß in Managermagazinen das Hohelied der neuen Netzwerke, der agilen Projektteams gesungen wird, die kalte Realität aber eine ganz andere, den Industriebedürfnissen des 19. Jahrhunderts verhaftet ist. Und wer sagt, daß ein verlag im 21. Jahrhundert noch einen festen physischen Ort haben muß?
Als Abgrenzung zu anderen Branchen (die oft noch aufgrund der Prozeße lokal angesiedelt sein müssen) könnte dies ein echter Pluspunkt werden.

Das liebe Geld…

Eine der häufigsten Klagen von Ex-Auszubildenden und Studienabgängern ist die Rotation durch diverse Praktika und Volontariate. Würde dies unter der Argumentation passieren, sich gegenseitig kennenlernen und präsentieren zu können und mit echten Perspektiven zu arbeiten, wäre dies vielleicht sogar ein anerkanntes sinnvolles Instrument, von gegenseitiger Fairness getragen. Empfunden wird es aber vom Branchennachwuchs als reine Lohnminderungsmaßnahme bei vollem Arbeitseinsatz und Lückenbüßer für fehlendes festangestelltes Personal. Nicht nur bei einem Verlag hat man den Eindruck, dieser bestehe aus einem Geschäftsführer und einem Rudel Volontäre.
Nun ist aus verschiedensten Gründen die finanzielle Lage vieler Verlage mit Sicherheit nicht rosig. Wer heutzutage Produkte auf den Markt bringt, die denselben Preis haben wie vor zehn Jahren, der muß schlicht an den Prozeßen arbeiten, in der Regel also an Produktions- und Lohnkosten.
Vielleicht wäre es hier aber auch einfach sinnvoll, nicht nur billige Arbeitskräfte zu suchen, sondern klar zu formulieren, dass man eben kein Industriekonzern sei, dafür aber mit verschiedenen Optionen wie Weiterbildung und kreativem Freiraum neben flexiblen Arbeitsmodellen punkten könne. Langfristig bringt dies sicher mehr als dem neuen Mitarbeiter zu vermitteln, er (oder sie) könne ja froh sein, in diesem traditionsreichen Verlag arbeiten zu dürfen.

Ein Wort zu „Digital Natives“

Nun könnte man das oben geschriebene als Klagelied des armen Berufseinsteigers auffassen. Natürlich ist vieles, wie formuliert, im argen. Aber nicht nur für den Berufseinsteiger, den „Digital Native“, der leider auch allzuoft nahe am „Digital Naive“ ist. Die veränderte Medienlandschaft betrifft ja nicht nur diese, auch die Kollegen, die schon länger oder lange im Berufsleben sind. „Jung“ ist kein Prädikat dafür, dass die Branche hier wirklich den Nachwuchs bekommt, den sie braucht. Nicht jemand, der ein Smartphone bedienen kann, wird in Verlagen benötigt, um etwa Apps zu projektieren, sondern auch jemand, der kalkulieren kann, Projekte durchzieht und einen Blick für die wichtigen, nicht nur die hippen Dinge hat und weiß, dass verbranntes Geld nur Rauch erzeugt. In einer Übergangsphase wird man hier kaum um gemischte Teams kommen, um einen Austausch zwischen den beruflichen Generationen – und zwar in beide Richtungen.

Fazit

Fairness im Umgang mit dem Nachwuchs, das Vermitteln der eigenen Innovationsfähigkeit, wieder Kreativität in der „Kreativitätsbranche“ zeigen, alternative Arbeitsmöglichkeiten im Einklang mit der privaten Lebensplanung, „generationenübergreifendes“ arbeiten, vor allem aber Perspektiven aufzeigen und permanente Weiterbildung bieten – dies wären Punkte, die vielleicht weniger an monetären Investitionen kosten als sie Erträge im Bereich „Human Ressources“ am Ende bringen.

Bildquelle: Flickr Paul Ingles
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5 Kommentare

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  4. Wie wahr! Habe kürzlich eine Absage bekommen, weil ich bei 3 Stunden täglicher Fahrtzeit 1 Tag Homeoffice haben wollte. So ist das mit der Flexibilität der Unternehmen. Und dann war ich mit meinem Gehaltswunsch nach mehreren Jahren Berufserfahrung scheinbar zu teuer, es macht ja jemand (vielleicht ein junger Absolvent) für die Hälfte oder für umsonst. Ich werde der Branche wahrscheinlich den Rücken kehren. Meine Erfahrungen, die niemand bezahlen will, nehme ich mit.

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