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Ein Autor im Pyjama oder: Mini-Marken und der beginnende Kampf zwischen Autoren- und Verlagsmarke

PajamasSebastian Fitzek ist selbst für Nicht-Krimi-Freunde inzwischen eine bekannte Größe, eine Marke. Der Verlag hinter dem Autor, Droemer Knaur, hat auf der Leipziger Buchmesse dessen Bekanntheit Rechnung getragen in Form eines eigenen Stands. Und Fitzek wäre nicht Fitzek, wenn er darum nicht virale Aktionen starten und seine Fan-Gemeinde aktivieren würde, etwa, indem er eine Lesung verloste unter all jenen, die dort im Pyjama erscheinen würden. Ob nun wirklich sehr viele im Schlaf-Outfit erschienen sind ist dem Schreiber dieser Zeilen nicht bekannt – kolportiert wurde aber ein endloses Gedränge und Geschiebe vor Ort. Das Ziel der Fan-Aktivierung dürfte also erreicht worden sein (auf Facebook sprechen wir von fast 50.000 Fans – welcher Verlag kann das vorweisen?). Und dem umtriebigen Autor sei es auch gegönnt.

Aber warum bleibt dann verlagsseitig ein bitterer Nachgeschmack? Vielleicht, weil ein Verlag hofft, die Autorenmarke möge positiv auf die eigene einwirken? Ist ja, bis auf die digitale Komponente der Marke, nichts Neues, möchte man meinen – Star-Autoren gab es schon immer.

Ein Burgfriede geht dahin

Es gab allerdings auch schon immer ein recht entspanntes Verhältnis zwischen Autor und Verlag, was die Wertschöpfungskette und Distributionsverhältnisse anging. Jeder hatte seine Rolle, der Autor kümmerte sich um den Inhalt, der Verlag um den Zugang zum Leser. Maximales Stör-Potential konnte höchstens der Wechsel des Verlags entfalten.

Dieser Burgfrieden ist durch die Digitalisierung auf Produktions- wie Kommunikationsebene nachhaltig gestört. Mehr und mehr macht den Programmplanern nicht der Verlagswechsel, sondern das Eigen-Publizieren Sorge – jedenfalls denen, die sich überhaupt Gedanken um diese Entwicklung machen. Natürlich ist sowohl beim Verlagswechsel als auch beim Self Publishing der Autor für den Verlag verloren, auf gut deutsch: egal warum, fort ist der Autor. Auf Branchenebene kann dies aber keinesfalls mit einem fatalistischen Schulterzucken egal sein: ein integrierter Marktteilnehmer am Beginn der Kette wird zum aktiven Mitbewerber.

Auch diese Entwicklung ist noch nicht der beginnende Untergang des westlichen Abendlandes (so es der Wegfall der meisten Verlage überhaupt wäre, aber dies ist ein anderes Thema). Aber in Zeiten, in denen ein Produzent, eine Marke viel stärker denn je in wechselseitiger Beziehung zum Käufer resp. Leser steht, wird die „Marke“ immer wichtiger. Also das Profil, das „wofür-stehen-wir“, das „hierdurch-grenzen-wir-uns-ab“, die Authentizität.

Das Zeitalter der Mini-Marken

Durch eine zunehmende Fragmentierung und Individualisierung, durch den digital leichten Zugang wird Markenbildung auch immer weniger eine Frage des investierten Etats, sondern der eigenen Kreaitivät, des Storytelling und – eben – Authentizität. Klein-Gruppen bilden sich um einen Autor oder ein Thema, deren Betreuung die Ressourcen eines breit gestreuten Verlages nicht mehr abbilden können. Mini-Marken, Mini-Communities bilden sich, und damit auch neue Markt- und Produktchancen für jene, die im günstigsten Fall Mittelpunkt dieser Communities sind. Beispielsweise Autoren.

Autor als Mini-Marke oder: Selfpublishing wird sexy

Passend im Vorfeld der Leipziger Buchmesse hat etwa die Autorin Zoe Beck den Verlag „CULTurBOOKS – Elektrische Bücher“ gegründet. Im Fokus steht dabei „Literatur abseits des Mainstreams“ – ideal also für Mini-Marken. Oder man widmet sich neuen medialen Formen wie die Autorin und Bloggerin Nikola Richter, die den mikrotext Verlag gegründet hat – „für kurze digitale Lektüren„. Produktformen, die Verlage aufgrund ihrer Struktur noch gar nicht im Fokus haben.
Natürlich gab es solche Entwicklungen (Thema Autoren-Verlage) schon in der Vergangenheit, keine Frage. Aber dem nachvollziehbaren Drang des einzelnen Autors nach Öffentlichkeit kann heutzutage kaum ein Verlag mit seinem Voll-Programm nachkommen. Zudem wird die Technologie für Autoren immer erschwinglicher und leichter handhabbar, Dienstleistungen lassen sich auf dem digitalen Marktplatz günstigst einkaufen.

Tredition, Dienstleister für Autoren, hat ebenfalls zur Buchmesse eine weitere Trend-Analyse zum Self-Publishing vorgelegt – und auch wenn man dem Unternehmen ein gesundes Eigeninteresse unterstellt und die Einschätzung mutig findet, dass „2020 die Hälfte aller deutschsprachigen Neuerscheinungen im Selfpublishing-Verfahren veröffentlicht werden“ sollte man dies als Verlag ganz genau im Auge behalten.

Auf das Thema Self-Publishing und die zunehmende Vielfalt an „reinen Dienstleistern“ geht auch Johannes Haupt für Heise in seinem Bericht „Buchbranche: Amazon vor der Brust, E-Books und Autoren im Kopf“ zur Leipziger Buchmesse ein.

Insofern ist das plakatierte Beispiel eines Autoren-Stands auf einer Buchmesse eigentlich nur folgerichtig (und gefühlt mutig). Es zeigt aber auch mehr und mehr erste Tendenzen, dass in diesem Spiel Verlage in den Hintergrund treten werden und sich eher über Service für Autoren wie Leser als Marktzugangswächter legitimieren können.

Nachtrag: dieser Artikel findet sich, mit einigen Diskussionen um den Inhalt herum eingearbeitet, inzwischen auch im buchreport-Blog

Bildquelle: flickr
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13 Kommentare

  1. Vieles ist richtig beobachtet und trotzdem möchte ich widersprechen: Die Entwicklung kam bereits vor der Digitalisierung in Gang. Und zwar immer dann, wenn Verlage es an ihren Kernkompetenzen fehlen ließen wie Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Autoren- und Backlistpflege. Autoren, die immer mehr in eine Bittstellerhaltung gedrängt wurden, waren frustriert und suchten nach Alternativen. Mit der Digitalisierung ist das nun im großen Stil mit wenig finanziellem Risiko möglich, manchmal sind Einnahmen und Auflagen im Self Publishing sogar höher als im Verlag, jedenfalls bei den Profis.

    Trotzdem besteht keinerlei Konkurrenz zwischen Self Publishing und Verlagen, wenn beide Seiten nicht ängstlich Pfründe bewachen wollen. So viele Autoren sind „hybrid“ unterwegs, im Self Publishing genauso wie mit Verlag. Verlage kaufen erfolgreiche Self Publisher besonders gern ein. Und natürlich funktioniert dieses Geschäft nur mit Geben und Nehmen. Das haben Self Publisher nämlich drauf: Selbstwertgefühl, die Kenntnis um die Maschinerie des Buchverkaufens, Kontaktlisten, die bares Geld wert sind. Die Konditionen müssen stimmen.

    Selbst Partnerschaft ist möglich und gegenseitiger Austausch. Demnächst erscheint von mir ein Buch bei Suhrkamp-Insel. Das E-Book dazu bringe ich selbst heraus. Mit meinem Verlag spreche ich Aktionen und Möglichkeiten partnerschaftlich und auf Augenhöhe ab. Inzwischen geht es mir wie Zoe Beck: Ich werde in diesem Jahr einen eigenen Verlag gründen. Aber ich würde trotzdem auch jederzeit wieder Verlagsverträge eingehen – für bestimmte Bücher. Warum dann ein eigener Verlag? Ich habe gelernt, dass die Zeiten noch nie so gut waren für Mut, Risikofreude und Experiment. Für Nischenmärkte und für das Besondere. Für Grenzüberschreitungen. Und genau das alles macht für mich Literatur aus und die Breite eines Buchspektrums jenseits von Stapelware. Wenn nicht jetzt, wann dann? 😉 Etablierte Verlage könnten das doch auch???

  2. Danke für die Erwähnung. Ich darf als Fußnote ergänzen, dass ich mich nicht selbst verlegen werde, nicht, dass es Missverstädnisse usw…. 🙂

  3. @Petra Partnerschaft im Zugriff auf dieselbe Zielgruppe? Das bedeutet nichtsdestotrotz Mitbewerberschaft und eine Veränderung der tradierten Verlagsrolle. Dann veröffentlicht ein Autor mal bei Verlag xyz, aber auch self auf Plattform a und Plattform b. Gebündelt kann das nur noch in der Autorenmarke werden, nicht mehr unter der Verlagsmarke.

  4. Stimmt. Wobei mich ja der Aspekt der Leser interessiert: Kaufen die ein Buch, weil es AutorIn Dingens geschrieben hat oder weil das Verlagslabel von XY draufsteht? Ich kann mir vorstellen, dass Autorenmarken oder Verlagsmarken für unterschiedliche Bücher passen könnten. Wenn ich einen Gartenratgeber kaufen will, gehe ich zum Gartenverlag. Wenn ich Sebastian Fitzek lesen will, kann ich mich wahrscheinlich nicht einmal an seinen Verlag erinnern. Viel Bewegung!

  5. Lieber Steffen Meier, danke, dass Sie auf unsere Verlagsneugründung CULTurBOOKS hinweisen, aber bitte erlauben Sie mir eine kleine Korrektur: Es handelt sich bei CB nicht um einen „Autoren-Verlag“ der Schriftstellerin Zoë Beck, sondern es entsteht ein thematisch breit und vielformatig ausgerichteter eBook-Verlag der gleichberechtigten Verleger Zoë Beck, Kirsten Reimers, Thomas Wörtche und mir – der sich schlecht als Beispiel für den behaupteten aufziehenden „Kampf zwischen Autoren- und Verlagsmarke“ eignet.
    Frau Beck wird hier (wie ihre Mitgesellschafter auch) als Programmgestalterin und Verlegerin von interessanten Texten anderer Autorinnen und Autoren in Erscheinung treten – von den Verfahren des Self-Publishing sind wir mit CULTurBOOKS also weit entfernt – wobei wir das mit dem „sexy“ natürlich gerne stehen lassen :-))
    VG-JK

  6. @Jan Karsten Vielleicht können wir uns auf den Punkt einigen, dass CB dennoch ein gutes Beispiel für, wie von mir genannt, „Mini-Marken“ ist resp. die Pluralität im Verlagsgeschehen gerade im Digitalen zunimmt? Autoren übernehmen hier Verlagsaufgaben, dies bedeutet ja nicht, nur für eigene Werke. Und die Marke der Autoren strahlt ja auch auf die neuen Werke dort ein.

  7. @Petra Bin mir da unsicher. Traditionell steht in der belletristischen Literatur (um diesen schwammigen Begriff mal zu verwenden) der Autor neben seinem Werk in der Wahrnehmung. In der Fachliteratur aber das Thema/Werk und der Verlag. Aber vielleicht steht hier im Austausch von Autor mit Fach-Community ein ähnlicher Umwandlungsprozeß an, der den Autor mehr in den Vordergrund stellt. Diese „Autoren“-Bücher gab es ja auch schon immer, nur eben als Einsprengsel im Programm. Aber im Heimtierbereich kenne ich einige Autoren, die von Lesern eher als Marke wahrgenommen werden denn der Verlag.

  8. Naja, Autoren, die neben der eigenen Buchproduktion auch als Verleger, Herausgeber oder Programmchef auftreten, sind ja kein neues Phänomen (denken Sie an Jo Lendle, Michael Krüger usw.). Was sicher neu ist, ist die einfache und teilweise eventuell auch lukrative Form des Self-Publishing. Diese hat aber, wie gesagt, mit Culturbooks wenig zu tun. Bei CB mit seiner ambitionierten nationalen und internationalen Ausrichtung wird sicher eine ganze Reihe von renommierten Autoren (hoffentlich hell) strahlen. Und worauf wir uns bestimmt einigen können: Eine genaue, belastbare Einordung/Ausdeutung der Ausrichtung ist sicherlich erst möglich, wenn im Sommer die ersten Bücher unter der Marke „CULTurBOOKS“ erscheinen.

  9. @Jan Karsten Dann warten wir mal ab – letzten Endes hat unsere kleine Diskussion hier ja CB auch gleich etwas Werbefläche resp. Informations/Klarstellungsmöglichkeit eingebracht 😉

  10. warum steht bei mir nur z? ich hatte den ganzen namen eingegeben. jan karsten hat ja nun schon einiges dazu geschrieben. sorry wg. der namensverkürzung, war keine absicht.

  11. Pingback: Anderswo

  12. Pingback: Schöne Aussichten: Eine Welt voller Verleger | Charlotte Reimann

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