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Konvergenz! Gattungswesen ist so 1947…von Buch- und Zeitschriftenverlagen (Update)

tear down the wallIm gestrigen Artikel „Vom Kerngeschäft zur Kernkompetenz“ auf buchreport.de gab es ein längeres Interview mit dem E-Publishing-Chef von Bastei-Lübbe, Helmut Pesch, in dem es um den digitalen Wandel und die digitalen Produkte des Verlags ging.

Ein Aspekt, der ganz nebenbei angesprochen wurde, ist die Unterscheidung zwischen Buch- und Zeitschriftenverlag. So fragte Daniel Lenz, Redakteur des buchreport, nach einem „verschärften Wettbewerb zwischen Zeitungs- und Buchverlagen“, wenn es um das Thema abonnierbare digitale Buchserien ging. Helmut Pesch empfand das zwar als spekulativ, meinte aber an anderer Stelle „Wir müssen darüber hinaus nach anderen Erlösmodellen suchen, zum Beispiel Werbefinanzierung, die im Verlagsbereich bislang atypisch sind.“
Womit er Recht hat – im Buchverlag, nicht im Zeitschriften- und Zeitungsbereich.

Die derzeitige Entwicklung der digitalen Produkte zu Ende gedacht ist eine Konvergenz aber fast zwangsläufig. Beide Sparten bedienen hier dieselben Distributionskanäle, eine Abgrenzung der Produktformen ist obsolet (ob das Produkt E-Book, E-Paper oder sonstwie genannt wird ist nachgerade egal, von Seitenumfangsfixierung ganz zu schweigen) und die Erlösmodelle gleichen sich (siehe oben) auch immer mehr an: Verkauf der Reichweite/Werbefläche resp. Markenumfeld und Endkundenabsatz. Auch die Produktionsprozesse sind weitgehend identisch. Und am Ende muß die Orientierung hin zur Zielgruppe, nicht zum tradierten Produkt stehen.

Wenn die natürliche Trennung in Produktformen aufgelöst wird, entsteht natürlich auch neuer Wettbewerb – zusätzlich zur neuen Konkurrenz, die rein technologiegetrieben ausserhalb der bisherigen „ständischen“ Grenzen hereindrängt. Ein kunterbuntchaotisches Bild möchte man meinen.

Aber eigentlich auch wieder kein Schreckensbild – letztendlich stehen hier alle mit gleichen Chancen am Startblock. Problematisch ist die Übergangsphase, die Transformation, sozusagen mit einem Bein im Papier, mit dem anderen Bein in Bytes. Das führt u.U. zu einer Trennung „an der Waagrechten“, einem digitalen Bereich, der sich keiner Buch- oder Zeitungsnomenklatur verpflichtet fühlt und einem Papierproduktverhafteten Bereich, der darauf beharrt, Buch- oder Zeitungsverlag zu sein und dabei zerrissen werden kann. Nicht umsonst geistert der Begriff des 360-Grad-Verlags durch die Branchenpresse – die meisten Verlage wären aber in der Realität froh, 90 Grad zu erreichen.

Problematisch könnte dies aber auch ständische Vertretungen werden, Verbände, die sich an der Produktgrenze entlang definieren. Vielleicht ein Großverband, der IMWMM heißt (Ich mach was mit Medien)? Wohl kaum…wahrscheinlicher erscheint auch hier eine Trennung in der Waagerechten: ein Verband für die Haptiker, und einer für die Digitalen. Einen gewissen Charme hätte das schon.

Update: Prompt erschien bei buchreport.de ein Artikel zum Thema „Zeitungsverlage experimentieren mit E-Books„, Aufhänger die ersten E-Books der FAZ. Aufgezählt werden dort
„- Mit ca. 30 Titeln hat Gruner+Jahr mit Inhalten aus Magazinen wie „Geo“ und „Eltern“ schon ein vergleichsweise großes Angebot. „Aktuell läuft das Projekt noch in kleinerem Umfang, um erst einmal Erfahrungen mit den Ansprüchen und Erwartungen der User zu sammeln“, erklärt eine Sprecherin.
– Aus Inhalten der „Süddeutschen“ sind bisher 28 E-Books entstanden.
– 17 Titel hat der Medienriese Axel Springer Verlag bisher aus seinen Blättern „Welt“, „Hamburger Abendblatt“, „Berliner Morgenpost“ und „B.Z.“ gezogen.
– 19 E-Books bietet der Verlag der „Zeit“ feil.“
Erfahrungen sammeln also…und mit Sicherheit weiter in ein angestammtes Geschäftsfeld der Buchverlage vordringen.

Umgekehrt macht dies der (Buch-)Verlag „And other Stories“ auch – Bücher im Subskriptionsmodell, auch Abonnement genannt. Natürlich ist dies auch für Buchverlage nichts Neues – es ist aber schon interessant, dass dies junge Verlage als teils tragende Säule der eigenen Erlöse entdecken.

P.S. Wer sich über den Titel wundert: mangels Inspiration warf ich die Frage nach einer „griffigen Blogpost-Headline“ in Facebook auf, dort wurde dann munter und lustig diskutiert, ganz im Sinne einer gutgelaunten Schwarmintelligenz. „Gewonnen“ hat Katja Splichal mit dem Hinweis auf das Jahr 1947, das Jahr, “ in dem die meisten internationalen Zölle abgeschafft wurden“ im Sinne des Wegfalls von künstlichen Grenzen. Allerdings bekannte sie auch recht freimütig, meine Headlines ansonsten recht langweilig zu finden. Nun gut – Chacun à son goût. Alles nachzulesen übrigens hier

Bildquelle: flickr
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4 Kommentare

  1. „Allerdings bekannte sie auch recht freimütig, meine Headlines ansonsten recht langweilig zu finden.“ Habe ich nie gesagt! Ich sagte „immer langweilig“ – IMMER, nicht „recht“ 😉

    Spaß beiseite – glaubst Du, dass die „Büchermacher“ mit ihren ganzen Serials, Shorts und wasweißichnicht den „Teitungsmachern“ (ich trenn das mal) einen signifikanten Teil abgraben werden oder geht es drum, wer schneller ist – um kurz-unterhaltungssektor?

  2. @Aljoscha Werbefinanzierung war in den letzten Jahrzehnten kein wirklich relevanter Kostendeckungsbeitrag für die Buchproduktion. Als Methode ist es natürlich nicht neu, wird jetzt aber neu gedacht. Und damit ein neues gemeinsames Merkmal von klassischem Buch und Zeitschrift.

    @Katja Ich glaube nicht einmal so sehr an das gegenseitige Abgraben – das wird die Zeit weisen. Verlage sind ja mitunter eleganter darin, sich selbst das Wasser abzugraben als anderen Medienunternehmen. Es wird nur eben Zielgruppen und Themen geben, an denen sich Medienunternehmen entlang organisieren. Den Begriff „Buchverlag“ wird es in 20 Jahren nicht mehr geben.

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