Ferdinand Knauß geht auf der Website der (von mir sonst hoch geschätzten) ZEIT das Thema „Die Mitarbeiter als Markenbotschafter“ aus Personalmarketing-Sicht an. Allein bei dem Begriff „Personal-Marketing“ fröstelt der gemeine Arbeitnehmer, und zwischen Personalberater-Plattitüden und Markenbildungsworthülsen läßt sich eines herauslesen: richtig gebrieft und „mitgenommen“ kann jeder Mitarbeiter zu einem Markenbotschafter im Sinne des Unternehmens werden:
„Identifizieren sich die Mitarbeiter aber mit der Marke, dann machen sie die unternehmerischen Interessen zu ihren eigenen und zeigen bei der Arbeit für ihr Unternehmen Begeisterung und hohes Engagement“, sagt Erik Bethkenhagen, Geschäftsführer von Kienbaum Communications.“
Der Kommentar des Users „Stirnrunzeln“ darauf, folgerichtig und kaum besser ausdrückbar: „Das klingt mehr nach Scientology, als nach einem Arbeitsverhältnis.“
Aber gemach, noch ist es ja noch nicht soweit, denn „…demnach bildet bislang nur jedes vierte Unternehmen eigene Mitarbeiter zu Markenbotschaftern aus und nur jede fünfte Firma organisiert Markenschulungen für die Belegschaft oder setzt interne Brand-Scouts ein.“
Gut, ein gestandener Mittelständler wird sich sagen „Markenschulung? Lies gefälligst den Produktkatalog – und was sind Brand-Scouts?“, aber sei’s drum. Aber das Thema Markenbotschafter ist ein mit Außen-Kommunikation belegter Begriff, und Kommunikation kann in Zeiten sozialer Netzwerke auch, je nach Netzwerk-Größe des Einzelnen, mal über den Stammtisch, den der Mitarbeiter einmal im Monat besucht, schnell hinausgehen, vor allem bei jüngeren Nutzern. Im Zweifel mag der eine oder andere sogar eine größere Reichweite als „sein“ Unternehmen haben. Und das kann dann, wenn aus Unternehmenssicht falsch eingenordet, fatale Folgen haben.
Wehe, wenn sie losgelassen…
Auf dem karrierebibel-Blog hat Christian Mueller in seinem Artikel „Markenbotschafter: Warum sich Mitarbeiter mit Social Media auskennen sollten“ gleich ein passendes Beispiel. Hier wurden Mitarbeiter im Umgang mit SocialMedia geschult, zumindest technisch, und dann als Markenbotschafter losgelassen:
„Doch dann stießen sie auf Facebook-Beiträge in denen sich Kunden – berechtigterweise – über Mängel an den Produkten des Unternehmens aufregten. Statt diese Kritik jedoch an das Social Media Team oder den Kundenservice weiterzugeben, kommentierten die Mitarbeiter dort selbst – und zwar in einem alles andere als angemessenen Tonfall. Dieses negative Verhalten wurde natürlich dem Unternehmen zugeschrieben und schlug dort als Kritik und Wut auf.“
Eigentlich alles richtig gemacht. Als Markenbotschafter heiß gemacht, kurz geschult, losgelassen. Und schiefgegangen.
Oder will ich wirklich so etwas in öffentlichen Postings eines Mitarbeiters lesen?
„Hey, Digga, unser neues Mehrschweinchenbuch ist voll knorke. Bloß Rezepte sind wieder keine drinn“.
Gut, das Beispiel war jetzt naheliegend, aber der geneigte Leser wird sicher verstehen, worauf ich hinaus will.
Spannungsfeld Unternehmens- und Mitarbeiterkommunikation
Bei allen positiven Ansätzen, die es haben kann, wenn ein Unternehmen versucht, Mitarbeiter zu begeistern – eine Kommunikationsflächenmethode kann es nicht sein, zu schmal ist der Grat zwischen Begeisterung und Instrumentalisierung. Und Instrumentalisierung im Kommunikations-Sinne des Unternehmens geht schlicht nicht. Die Außer-betriebliche Kommunikation ist meist, egal auf welchem Kanal, eine private und läßt sich nicht kontrollieren. Und wenn sie kontrolliert wird (oder sich der Mitarbeiter dem Unternehmens-Credo in seinen privaten Freiräumen unterwirft, indem etwa sein Profil oft nur Firmenmarketing beinhaltet), dann ist diese Kommunikation nicht authentisch und genauso negativ einzuschätzen. Im Spannungsfeld zwischen Unternehmenskommunikation, Markenbotschafter und privater Kommunikation liegt also ein weites Minenfeld.
Dieses Minenfeld kann dazu führen, dass etwa der von mir sehr geschätzte Nico Kirch in dem Blogbeitrag „Die Rolle des Markenbotschafters im Social Web“ explizit darauf hinweist „Wer es nicht weiß: Ich arbeite im DB Konzern. Dieser Artikel spiegelt aber meine persönliche Meinung wieder. Das zwei Beispiele aus dem DB Konzern kommen, ist rein zufällig.“ Besser läßt sich dieses Spannungsfeld nicht darstellen.
Unternehmenskommunikation muss in Unternehmenshänden liegen
Eigentlich eine Trivialität, sollte man meinen. Aber Markenbotschafter verwässern dieses Prinzip und machen mitunter auch die Arbeit derer, die im Rahmen ihres Jobs für ein Unternehmen kommunizieren, nicht einfacher.
Dies kann etwa umschifft werden, wenn Mitarbeiter beispielsweise Schulungen zum Umgang mit Tools und Netzwerken erhalten, aber (und auch nicht stillschweigend!) dafür keine Gegenleistung in Form von Unternehmenskommunikation eingefordert wird. Schließlich hat erfolgreiche Kommunikation, aber auch ansonsten viele Faktoren, die mit dem Unternehmenserfolg verknüpft sind, oft viel mit „Loslassen können“ zu tun. Und auch mit ernst nehmen. Wer Mitarbeiter nur als Verlängerung des Unternehmensbrandings sieht, dem fehlt es nicht nur an Fingerspitzengefühl, sondern auch an guter Unternehmenskultur.
Prima Klima!
Mitarbeiter als Markenbotschafter erscheint mir insofern als Kommunikationsinstrument (und hier haben wir wieder das „Instrumentalisieren“) ein Boomerang. Mitarbeiter aber im Rahmen ganz normaler Betriebsmaßnahmen für das eigene Unternehmen einzunehmen ist auch ungeachtet dessen immer eine gute Maßnahme, und sei es nur für das Betriebsklima.
Ist ja auch eine Frage der „Alternativlosigkeit“ 😉 – denn: Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind einfach so Botschafter des Unternehmens, der Marke. Ob das dem Chef oder ihnen selbst klar ist oder nicht. Und ob man gemeinsam beschließt, dass das gut ist und wie man ein Markenversprechen nach innen und außen einlösen kann und will… ja, letztendlich eine Frage der Kultur des Unternehmens. Wir haben damit jedenfalls in unseren Prozessen mehr gute Erfahrungen gemacht als schlechte. Es ist wie immer in der Kommunikation: Ich kann „Instrumente“ so oder so einsetzen. Wenn ich das Markenversprechen in die Auslage stelle (intern und extern), tue ich mir halt als Unternehmensführung viel schwerer, wenn ich dann gegen die eigenen Werte gerichtetes Verhalten zeige.
Den Gedanken, dass Mitarbeiter ganz grundsätzlich und erstmal neutral „Markenbotschafter“ sind finde ich spannend. Aber das Instrumentalisieren finde ich ähnlich schwierig wie das Thema Blogger-Relations, die sich ja auch nicht lenken lassen
Wenn ein Mitarbeiter (ob im Shop oder online, am Telefon etc.) nachhaltig mies drauf ist (schlechte Tage gestehen wir uns allen zu), dann ist das eine „schlechte“ Markenbotschaft, die dem Markenversprechen zuwider läuft. Daran kann keiner Marke und keinen ihrer Vertreter gelegen sein. Genau das gleich gilt intern für die „Chefs“. Sind Führungskräfte keine Vorbilder in ihrer Markenbotschafter-Rolle, schwächt das die Kultur (das Innenleben der Marke, wenn wir so wollen). Auch das kann man nicht einfach hinnehmen. Ich glaube ja, dass die Marke weder dem Chef noch einer Abteilung gehört – sondern allen, die gerade für die Marke im Einsatz sind. Und es muss jedem wichtig sein, das Markenversprechen zu „verteidigen“, auch gegen Angriffe von innen. Die können auch schon mal aus der Chef-Etage kommen, keine Frage. Aber: Auch Chefs kommen und gehen – die Marke aber bleibt.
Gut gebrüllt. Natürlich sind das realistische Szenarien, und es ist auch gut, Respekt davor zu haben. Nun bin ich ja – und zwar nicht nebenberuflich 😉 – beratungstechnisch sehr heftig unterwegs in diesem Feld und weiß deshalb einiges darüber – aus der Praxis. Daher komme ich nicht umhin, hier anzumerken: Das funktioniert sehr wohl mit den Markenbotschaftern. Und ironischerweise sind genau wir, die wir solche Diskussionen führen, genau das: Markenbotschafter für unsere Unternehmen. Es hat meines Erachtens mit Loslassen zu tun und auch mit Selbstbewusstsein, wenn unsereins bereit ist, die Präsenz im Social Web auch anderen Kolleg/innen schmackhaft zu machen und ihnen das notwendige Handwerkszeug beizubringen. Dazu gehört natürlich ein bisserl mehr als „Social Media Guidelines“ – nämlich konsequente Fortbildung, ansprechende Ratgeber-Materialien (ob Filmchen, Handbuch oder Workshops und Seminare) und so weiter und so fort. Dann klappt das auch mit den Markenbotschaftern. Und das ist keine These, sondern meine persönliche Erfahrung mit einer ganzen Reihe von Unternehmen.
Soweit mit allem einverstanden. Mir ist mitunter die Trennung zwischen Unternehmenskommunikation und Markenbotschaftermitarbeiterkommunikation (was für ein Wortungetüm) zu unsauber. Und bei allen positiven Erfahrungen, die ich und viele andere gemacht haben – da kann auch enorm viel schiefgehen. Ich weiß von vielen Leuten, die in ihrer kritischen Haltung zum eigenen Unternehmen oder Job besser niemalsnicht Markenbotschafter werden sollten. Andererseits ist es (muss man fairerweise sagen) auch für Unternehmen schwer, hier ein einwandfreies, durch Mitarbeiter im Sinne des Unternehmens kommunizierbares Umfeld zu erreichen. Mitarbeiter können ganz schön kritisch sein…da kann man nichts erzwingen oder herbeischulen.
Im Optimalfall gibt es aus meiner Sicht keine Trennung zwischen UKom und Markenbotschaftermitarbeiterkommunikation. Klar, ist die reine Theorie und in der Praxis nicht so einfach umsetzbar. Der entscheidende Punkt ist, dass die Marke, einschließlich der Arbeitgebermarke „gelebt“ wird und ein Fixum in der Unternehmenskultur ist. Das lässt sich nicht von heute auf morgen erledigen, sondern ist ein langer Prozess, der durchs Unternehmen getragen werden will.
In der Tat gibt es viele Mitarbeiter, die ihr Unternehmen oder ihren Job kritisch sehen. Das zeigt auch die aktuelle Gallup-Studie – und offenbart, dass Mitarbeitermotivation, -bindung und -identifikation ein absolutes Führungsthema ist. Und im Kern geht es genau darum: Führungswerte im Unternehmen zu definieren, umzusetzen und zu leben. Dann klappt’s auch mit den Mitarbeitern als Markenbotschaftern.
„Mitarbeitermotivation, -bindung und -identifikation ein absolutes Führungsthema“ – eigentlich ein Armutszeugnis, dass diese Themen jetzt in digital-sozialen Zeiten so richtig auf den Tisch kommen, oder? Eigentlich gehört das in den Köcher jeder Führungskraft.
Grundsätzlich stimme ich dem zu. Vielleicht ist es aber vielmehr eine Chance, die aus einem gewissen Druck in Form von Bewerbermangel etc. resultiert. (Ich mag das Glas lieber, wenn es halb voll ist 😉 )
Natürlich haben die Chefs und Führungskräfte die Vorbildrolle als Markenbotschafter. Wenn Sie das Prinzip weder verstehen noch dahinter stehen, steht bzw. fällt damit das Projekt… 😉 Wenn das Social Web hier zusätzlich Awareness schafft, soll mir das nur recht sein. Dort (SoMe) endet aber meine fachliche Expertise und ich schätze das eher aus eigenem Praxisempfinden ein. Ich finde halt, das dort transparent sein muss, unter welchen Vorzeichen ich wo vertreten bin und wessen Meinung ich da kundtue (eigene/Company) …