Permalink

7

Causa Instagram – die Crux mit den Geschäftsmodellen von Commmunities

Instagram-icon

 

Wenn es in den letzten Monaten darum ging, Community-Alternativen zu Facebook aufzuzeigen, fiel in der Regel immer der Name Instagram – eine Foto-Plattform, die das Potential zu einer echten Community-Plattform hat mit seinen über 100 Millionen Mitgliedern. Und wenn es in den letzten Tagen darum ging aufzuzeigen, wie schnell solche Plattformen bei ihren Usern in Ungnade fallen können, dann war dies ebenfalls – Instagram.

Stein des Anstoßes war eine Policy-Änderung, die verkürzt auf den Slogan „Instagram verkauft die Fotos seiner Nutzer“ durch alle Social Media-Kanäle schwappte. Im Kern ging es dabei um folgende Formulierung:

„Um uns zu helfen, interessante bezahlte oder gesponsorte Inhalte oder Werbung zu platzieren, erklären Sie sich damit einverstanden, dass ein Unternehmen oder eine andere Einheit uns dafür bezahlt, Ihre Benutzernamen, Abbild, Fotos (zusammen mit allen anhängenden Metadaten) und/oder Aktionen, die sie vornehmen, im Zusammenhang mit bezahlten oder gesponsorten Inhalten oder Werbekampagnen anzuzeigen, ohne jede Vergütung für Sie“ (kress.de vom 18. Dezember 2012).

Thank you, and we’re listening

Die Folge war eine Flut an Austrittsbekundungen bis hin zum massenhaften Posten des Kündigungs-Screenshots, untermalt von einem „Sauerei“- bis „Das können die doch nicht machen!“-Crescendo.

Ob es wirklich ein Missverständnis war oder den Instagram-Leuten die Chuzpe fehlte? Jedenfalls ruderte Kevin Systrom von Instagram in einem Blogbeitrag bald zurück:
„Thank you, and we’re listening
Yesterday we introduced a new version of our Privacy Policy and Terms of Service that will take effect in thirty days. These two documents help communicate as clearly as possible our relationship with the users of Instagram so you understand how your data will be used, and the rules that govern the thriving and active Instagram community. Since making these changes, we’ve heard loud and clear that many users are confused and upset about what the changes mean.
I’m writing this today to let you know we’re listening and to commit to you that we will be doing more to answer your questions, fix any mistakes, and eliminate the confusion. As we review your feedback and stories in the press, we’re going to modify specific parts of the terms to make it more clear what will happen with your photos.“

Also alles halb so wild?

Ob Instagram diese kolportierten Pläne hatte oder nicht liegt recht nahe am berühmten Reissack, der soeben in China geplatzt ist. Entscheidender ist die Frage, welche Auswirkung die Änderung von Geschäftsmodellen großer Plattformen für uns haben.

Die ach so liebgewonnenen Community-Plattformen sind im Kern Wirtschaftsunternehmen, keine Untersektionen von Misereor oder der Caritas, um dies auch einmal deutlich zu sagen. Eigentlich eine Binse. Auch eine Binse: kostenlos ist bei vielen Online-Communities erst einmal gar nichts, wir verkaufen mehr oder weniger brummend (sollte es vielen überhaupt bewusst sein) Teile unserer digitalen Identität. Daraus leiten diese Unternehmen Geschäftsmodelle ab, etwa im Targeting von Werbung, als Mittler zwischen Industrie und potentiellem Kunde.

Dummerweise bauen viele Unternehmen auf solchen Geschäftsmodellen auf, insofern ist es naheliegend, andere Wege zu gehen, etwa in der direkten Monetarisierung des eigenen Service oder Nutzung der mittels dieser Services durch Nutzer erzeugten Wertschöpfung. Daran ist per se nichts auszusetzen – nur muß eben dies transparent passieren. Und nicht mehrdeutig interpretierbar wie bei Instagram geschehen.
Eine unserer Lieblings-Communities, Facebook, steht im übrigen seit sehr frühen Zeiten unter dem verdacht, diesen Weg der direkten Monetarisierung zu gehen. Und warum nicht?

Thank you for travelling with Deutsche Bahn

Wir sind in vielen Lebensbereichen bereit, mehr oder weniger begeistert für Services zu zahlen. Worin besteht bitte der Unterschied, ob wir für eine Sitzplatzreservierung im Zug Geld bezahlen (der Service ist die Bequemlichkeit) oder digitalen Zusatznutzen? Worin besteht bitte der Unterschied, ob wir für den Komplettzugang etwa bei Live-Konzerten Geld bezahlen (und mit Freuden sogar happige Beträge) oder im digitalen Bereich?

Im Fall von Instagram und anderen könnte man natürlich einwenden, dass diese Monetarisierung mit Dingen geschieht, die Nutzer im guten Glauben selbst auf der Basis dieser Plattformen erstellt haben – und zwar im Laufe der Geschäftsbeziehung. Um im Beispiel zu bleiben: das wäre in etwa so, als würden wir kostenlose Sitzplatzreservierungen buchen und auf halber Strecke den Klingelbeutel unter die Nase gehalten zu bekommen. Oder als habe man sich diesen Platz gemütlich mit Kissen drapiert und müsse sich den Platz auf einmal mit anderen teilen oder sogar abgeben. Hier hat der Nutzer die gute alte Möglichkeit des Ausstiegs, sei es die Bahn oder Instagram. Niemand wird gezwungen, daran teilzunehmen. Oder die Nutzermacht greift, kollektiv mit diesem Ausstieg zu drohen. Sonst hätte sich Instagram nicht zu diesem (hoffentlich) klärenden Schritt hinreißen lassen.

Insofern muss sauber unterschieden werden zwischen digitalen Wegstreckenänderungen, die kritisch zu sehen sind, und den legitimen Monetarisierungsbemühungen von Plattformen, die ja auch im Sinne des Nutzers sein können, um diese Plattformen zu erhalten. Bei letzterem sollten wir uns das Wehklagen sparen, sondern lieber darüber nachdenken, ob wir nicht dazu bereit wären, zu zahlen.

Oder, um meine leider verstorbene Großmutter zu zitieren: „Umsonst ist nur der Tod, und der kostet das Leben„.

Google

7 Kommentare

  1. Ich verstehe deine Unterscheidung am Schluss nicht ganz. Ist die nachträgliche Monetarisierungs-Option von Instagram das Problem? Oder sollte Instagram für User Geld kosten anstatt „hintenrum“ mit UGC Geld zu machen? o_0

  2. Vielleicht bin ich ja der Einzige der den ganzen Aufstand nicht so recht verstanden hat. Nachdem auf Twitter und sogar in meiner Lokalzeitung entsprechende Hinweise kamen, habe ich mir das angeguckt und mich gewundert. Für mich klang das eher so, dass sich Instagram absichern wollte, dass, wenn man Werbung zusammen mit Bildern anzeigt, der Urheber der Bilder nichts von dem eingenommenen Werbegeld abbekommen soll. Das klang für mich definitiv nicht nach „Wir verkaufen deine Bilder, Loser!“ Danach hatte ich den Eindruck, dass viele gar nicht mehr nachlasen, was denn da vor sich geht, sondern mehr dem üblichen Wut-Schnaub-Brüll-Internet-Shitstorm ohne zu denken nachliefen.Ähnliches kann man auch heute wieder beobachten: Ein Artikel über Ministerin Schröder, die ihren Kindern den „Negerkönig“ aus Pippi Langstrumpf ersparen will – und schon läuft der Shitstorm. Dass der Oetinger-Verlag schon seit 2009 den „Negerkönig“ gegen einen „Südseekönig“ ausgetauscht hat und die ganze Aufregung wenn, dann schon Jahre zu spät kommt – wer recherchiert das noch nach?

  3. @Frank Monetarisierung sollte grundsätzlich kein „Problem“ sein, ich kann das nachvollziehen. Problematisch finde ich, wenn man im guten Glauben etwas tut und sich dann die Optionen ändern. Konkret: ich finde es vorsichtig ausgedrückt keine gute Idee, wenn Instagram mit Content der Nutzer Geld verdienen will (was ja in der kolportierten Form ja auch nie Ziel war). Ich finde es aber absolut ok,wenn für die Nutzung Geld verlangt wird o.ä. Aber selbst damit haben die meisten ein Problem.

  4. @Peter Das ist ein anderes, aber auch ein Problem 😉 Ich fand das schon skurril, wenn manche User ihre Accountlöschung mit einem „Dir zeig ichs, Instagram“-Unterton über alle Kanäle schwemmten. Hysterisierung findet aber überall statt, heutzutage kann es doch gar nicht mehr ordentlich schneien ohne eine Katastrophenmeldung der Wetter-Dienste mit anschließendem Schnee-Shitstorm der SocialMedians…

  5. Bezahlen ja, aber wie?Heute sollte sich jeder User sozialer Netzwerke bewusst sein, dass seine Daten auf dem einen oder anderen Weg zur Gewinnsteigerung der Portale beitragen. Dies bringt Vorteile in der potenziellen Reichweite solcher Portale, denn die Zahlungsbereitschaft für Online-Angebote ist nach wie vor alles andere als gut. Gerade auch junge Zielgruppen, die mitunter über kein regelmäßiges eigenes Einkommen verfügen können so als Kunden gewonnen werden (SchülerVZ / Youtube etc.). Doch die Modalitäten dieser persönlichkeitsbezogenen Bezahlmodelle sind ein Aspekt mit Konfliktpotenzial. Das erwähnte Beispiel von Instagram stellt eine rote Linie dar, deren Überschreitung eine gänzlich neue Stufe der digitalen Sklaverei bedeuten würde.Bislang macht sich die Datennutzung vor allem in personalisierter Werbung bemerkbar. Wem dies bislang nicht aufgefallen sein sollte, der braucht nur über Amazon oder ähnliche Seiten nach einem Produkt zu suchen und die Schaltung der Werbebanner auch auf anderen Seiten zu beobachten. Suchanfragen scheinen den User heute regelrecht zu verfolgen. Online-Werbung ist stark personalisiert und passt sich ständig auf unsere, aufgrund von Suchanfragen vermuteten Bedürfnisse an. Ein Preis den Datenschützer oft bereits als zu hoch einstufen. Doch auch hier kann man positiv argumentieren. Mir persönlich ist dies sogar willkommen. Werbung die zu meinen Interessen passt, mich auf neue Angebote oder Aktionen hinweist, die mir unter Umständen sogar Geld sparen? Gerne. Besser als eine weitere Spam-Mail für einen schönheitschirugischen Eingriff im Ausland… Diesen Preis sollte man bereit sein zu zahlen, da er für keine Seite wirkliche Nachteile mit sich bringt. Anderst ist der Fall jedoch, wenn sich Unternehmen Teile der Persönlichkeit ihrer User zu eigen machen wollen. Durch kommerzielle Nutzung von Bildern oder anderer persönlichen Inhalte gegenüber Dritten wird aus dem User eine Reklamefigur, der die Kontrolle über ihre Selbstdarstellung in der Öffentlichkeit im Extremfall enzogen werden kann. Der User wechselt die Seiten und wird vom Werbeempfänger zum Testimonial.Schickt mir Alpecin wegen meiner sich einstellenden Geheimratsecken Werbung für Ihre Produkte nehme ich diese gerne zur Kenntnis. Doch möchte ich die Kontrolle darüber, wer meine kleinen Sorgenkinder letzlich zu sehen bekommt doch gerne selbst behalten. Innerhalb von Netzwerken obligt diese jedem von uns. Schranken und Sperren ermöglichen Kontrolle und Selektion über die Verbreitung unserer kleinen Macken und Leidenschaften. Werden diese Kontrollwerkzeuge ausgehebelt, wird nicht nur das Vertrauen der User missbraucht sondern es gleicht einer öffentlichen, unkontrollierbaren Zurschaustellung. In diesem Sinne: Meine Geheimratsecken gehören mir und das soll bitte auch so bleiben.

  6. @Christian Kontrolle und Kontrollverlust Teile unserer digitalen Identitäten wird uns die nächsten Jahre noch deutlich mehr beschäftigen als die letzten. Meine Geheimratsecken gehören auch mir, wobei man im Sinne der Diskussion um Geschäftsmodelle auch sagen könnte – wenn mein Benefit stimmt, gebe ich die gerne her.

Schreibe einen Kommentar zu Peter Hellinger Antworten abbrechen

Pflichtfelder sind mit * markiert.