Markus Howest von iBusiness/Hightext Verlag hatte mir zu seinem sehr lesenswerten Artikel „Zeitungen: Die Zukunft der Paywall“ einige Fragen gestellt und meine locker aus der Hüfte heruntergetippten Rants dort eingearbeitet. Ich bin so frei und blogge diese hier kompakt, man möge mir, auch wenn es ursprünglich um Zeitungsverlage ging, meine Fachverlagsbrille, die ich einfach nicht von der Nase bekomme, verzeihen.
Markus Howest: Worin sehen Sie die entscheidenden Gründe für den sich nun immer deutlicher abzeichnenden wirtschaftlichen Schaden vieler Printverlage – hat man zu lange gewartet und nicht umgestellt, zu wenig innovativ gedacht? Im Kern fußen Zeitschriften- und Zeitungsgeschäftsmodelle auf zwei Parametern: dem Endkundenkauf durch Abonnement oder Kiosk sowie dem Verkauf von Fläche an die werbetreibende Industrie. Zuerst brach das Reichweiten-/Werbeflächenmodell zusammen (und dabei ist nur teilweise die Abwanderungs ins Web schuld), dann versuchte man nicht, dafür hochattraktive Umfelder zu schaffen, sondern sparte am Kern des Zeitungsmodells, den Redaktionen, kopierte sich gegenseitig, verlor sein Profil, wurde austauschbar zwischen Web und TV als Medium – und muss sich nun nicht wundern, dass der Käufermarkt zwangsläufig ebenfalls einbricht. Es wäre aber unfair, zu behaupten, es hätte nicht innovative Ansätze gegeben – diese waren aber vor dem Hintergrund des „Print wirkt!“-Mantras zu solitär, um große Wirkung entfalten zu können. Vielleicht wäre es schlauer gewesen, den Leser und seine Bedürfnisse in den Mittelpunkt zu stellen, und nicht das alte Medium und alte Geschäftsmodelle. Und für fast alle war die Geschwindigkeit der Veränderung so schlicht nicht absehbar, insofern möchte ich meine Einlassung auch nicht als Verunglimpfung der Kollegen verstanden wissen. Ähnliche Diskussionen gibt es doch in Buchverlagen auch, wenn Verleger lesen „1% E-Book-Anteil“ und daraus schliessen, dass ihr Kerngeschäftsmodell zu 99% immer noch funktioniert – wozu also Innovation und Investition? Die Abstraktion, was in 5-10 Jahren aber passieren könnte, die traut man sich nicht – leider. Markus Howest: Ist nun die Bezahlschranke tatsächlich das Allheilmittel zur Monetarisierung digitaler Publikationen? Welchen Ausweg gibt es sonst noch? Für ein Allheilmittel halte ich das mit Sicherheit nicht – den Zug haben Verlage verpasst, durch eigene Schuld. Man hat zu sehr auf das Reichweitenmodell gesetzt, und das hat man sich auch noch selbst verpatzt – die „lousy pennies“, die laut Hubert Burda im Netz nur zu verdienen seien, sind Ergebnis eigener Marktpolitik und mangelnder sinnvoller Angebote. Man hat simpel Print-Geschäftsmodelle unverändert und ohne Fantasie ins Digitale übertragen und sich letzten Endes beide Kanäle trocken gelegt. Content gegen Cash funktioniert in der Form, wie er gerade angeboten wird, nicht. Möglichkeiten sehe ich in einer Mischung mit einer Service-Komponente, etwa Kuratierungsdienste u.ä., die dem User zB Übersicht geben, Zeit sparen oder mit anderen User-Bedürfnissen vernetzt sind. Markus Howest: Die Taz setzt auf ein sogenanntes Wahl-Modell, d.h. sie überlässt es dem Leser ob er für journalistischen Content bezahlen will oder nicht. Liegt hierin eine Chance? Jein. Ich denke, wenn ein Nutzer Mehrwert für sich erkennt, ist er bereit, dafür zu bezahlen. Einige Untersuchungen zeigen aber, dass diese Kultur der freiwilligen Zahlung hierzulande kaum funktioniert. Das kann also nur „Beiwerk“ sein. Markus Howest: Könnte das iPad, sofern es massentauglich wird, mit täglichen Zeitungs-Apps zum ersehnten Cash-Flow beitragen? Warum sollte der Kanal-Wechsel eines Geschäftsmodells, dass in Print schon nicht funktioniert, in digital besser funktionieren? Zudem stehen hier mächtige Investitionen dagegen. Das halte ich für reine Substitution, und den Gedanken, Steve Jobs (Gott hab ihn selig) täglich zu danken, für reichlich naiv. Man sollte sich lieber fragen, warum Verlage nicht das Thema „Convenience“ aufgegriffen, zB ein gemeinsames Angebot und ein einfaches Bezahlsystem aufgestellt haben. Markus Howest: Oder ist die Krise vielleicht eine der Art der Nachrichtenübermittlung, und der gedruckte Artikel nicht mehr zeitgemäß wie Sascha Lobo bei Spiegel Online schreibt. „Vielleicht steht nicht das bedruckte Papier, sondern die statische Berichterstattung und der abgeschlossene Nachrichtenartikel ohne jede Prozessualisierung im Zentrum der Krise.“ Das halte ich für ein sehr stichhaltiges Argument. Und auch für das grundlegende Paradigma: wir Verlage haben Digital wie eine in Bits und Bytes gemalte Kopie des Gedruckten gesehen, wie für das Theater konzipierte Kammerspiele, die wir auf Youtube darstellen wollen. Das wird dem Medium, seinen Möglichkeiten, Herausforderungen und den Nutzungsgewohnheiten aber nicht gerecht. Im Übrigen sei hier auch auf den ebenfalls sehr lesenswerten Artikel „Die Lebenslügen der Digitalen Avantgarde und der Verlage“ im Online-Journalismus-Blog von Stephan Dörner hingewiesen, der (zu Recht) uns besserwisserischen Onlinern den Spiegel in unserer Argumentation vorhält.