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Punkband meets Altenheim – die nie gehaltene Rede zur Auftaktveranstaltung des BuchCamps #buchcamp #bc12 #lbm12

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Vorbemerkung: vor der Leipziger Buchmesse ereilte mich der Ruf, zur Auftaktveranstaltung mit Ideen- Puzzle und Kaffee&Kuchen ein paar einleitende Worte auf der Leipziger Buchmesse zu verlautbaren. Keine Ahnung, ob ich erste Wahl war oder alle anderen schon Termine hatte, als alter Verlagssaurier fühlt man sich schon gebauchpinselt bei solchen „jungen“ Veranstaltungsformaten. Aus der von langer Hand vorbereiteten, epochalen, von allen zitierten Eröffnungsrede wurde dann doch nichts. Was aber meine Schuld war. Ich hatte schlicht aus Zeitgründen nichts vorbereiten können, improvisiert wurden zwei, drei warme Worte. Aber es blieb auch das Gefühl, dem BuchCamp ein wenig mehr Aufmerksamkeit zu schulden – deswegen findet sich hier mein schlechtes Gewissen, meine nie gehaltene Rede vor einem Publikum, das im Dunkeln bleibt. Seis drum.

Die Punkband im Altenheim

Wie schnell beginnt man, Dinge für völlig normal zu halten? Ziemlich schnell. Da hilft ein Blick in den Rückspiegel, und der zeigt uns bei Branchen-Veranstaltungsformaten Frontalvorträge elitärer Überflieger, die uns mit „Best Practise“-Beispielen in die Besenkammer zu unseren schiefgegangenen Projekten trieben. Dieser Blick zeigt uns rotbeschalte, graubeschläfte Landjunkersakkoträger, die bei Pfeifchen, Zigarre und Kaminfeuer mit ruhiger Hand die Geschicke der Buchbranche lenkten.

Und dann entwickelt, losgetreten von der digitalen Welle der Teilhabe vieler, die sich schon nicht mehr in der Branche zuhause fühlten, ein kleines Team innerhalb der Branchenständevertretung ein neues Konzept: das BuchCamp. (im Rückblick erscheint dies als schiere Notwehr des Verbands, um nicht mit noch mehr Parallelstrukturen konfrontiert zu werden, es gehörte mit Sicherheit aber auch Mut dazu)

Nein, natürlich ist es nicht neu, dieses BarCamp-Prinzip, diese „Un-Konferenz“. Aber in dieser beschaulichen Branche, die doch immer unbehaglicher vor sich hin diffundierte, war diese bunte Ansammlung vieler Digitalos, die sich in Frankfurt auf dem Mediacampus sammelte, um einmal etwas Neues zu probieren, mehr als neu. Punk trifft auf Volksmusik.

Man überlege sich: jeder kann Themen vorschlagen, alle stimmen über diese mit den Füßen ab, Teilnahme ist nicht obligatorisch, sondern zwingend, Kritikfähigkeit und Nervenstärke Grundvoraussetzung. Scheitern nicht ausgeschlossen.

Unken riechen nicht nur übel, manche wollen sogar Gutes

Und der Unken waren viele: auf der einen Seite diejenigen, die dem Format und deren Protagonisten schon aus gefühltem Besitzstandverlust misstrauisch gegenüberstanden. Never change a running System! Auf der anderen Seite, denen das alles zu langsam, zu betulich, zu wenig konkret zuging, zu sehr von den eigenen Unternehmen finanzierte Klassenfahrt ohne disruptive Innovation.

Auch meine Person hat nicht mit Kritik  gespart, das sei zugegeben. Auch die Selbstreferentialität, die Machtübernahme der (Achtung, Zitat) „digitalen Bohème“ wurde kritisch gesehen. Aber viele, die deutlich eloquenter als ich die Stimme erhoben, wollten am Ende eigentlich nur eines: das Format „BuchCamp“ verbessern, feiner schleifen und doch sperriger machen.

Immerhin hat sich aus dem BuchCamp heraus eine Diskussion zum „Prinzip Buch“ entwickelt, deren Verästelungen mitunter lustikskurrile Züge annahm aber doch sinnvoll war, auch wenn sie uns am Ende nur auf den Punkt zurückwarf, wie eine Branche dazu kommt, über ihr Kernprodukt so unklar in der Vorstellung zu sein. Heraus kam die kleine vorlaute Schwester Zukunftskonferenz, die erstmals viele Kaminfeuerapologeten in lustige Session-Formate quetschte, noch so ein unbequemer Kulturschock. Und letzten Endes just diese Tage an einer weiteren genealogischen Verzweigung die Prototype-Veranstaltung.

An all diesen Formaten, aber auch an der konstanten Vernetzung vieler Kombattanten trug das BuchCamp Schuld. Insofern kann man zurückblicken auf den Versuchsaufbau, und feststellen: das BuchCamp war ein Experiment, das funktioniert hat und weiter funktionieren wird. Es darf nur den experimentellen Charakter nicht verlieren.

Nachtrag: Ein Indiz dafür, dass dieses Format sich durchgesetzt hat, mag mit Sicherheit der Ausverkauf der kontingentierten Anmeldungen innert eines Tages sein. 

1 Kommentar

  1. In der Tat können sich alle MacherInnen rund ums Buchcamp auf die Schulter klopfen und auf die Schulter geklopft fühlen: Das Konzept in dieser Phase eingeführt und umgesetzt zu haben. Natürlich wissen wir auch, dass solche Formate letztlich von den TeilnehmerInnen leben, aber die Infrakstruktur dafür bereit zuhalten, Impulse von hier auch in die anderen „Kreise“ gegeben zu haben, das hat prima funktioniert. Ich freue mich auf alle Fälle und bin gespannt, wie Numero 3 läuft!

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