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Die Social-Media-Blase platzt! Na und?

Socialmedia_blase

In der Ausgabe 04/12 des „internet magazin“ (von WEKA als Verlag verantwortet) findet sich ein in vielerlei Hinsicht (wenn auch sicher nicht so vom Autor geplanter) bemerkenswerter Artikel von Holger Reibold, der sich kritisch mit der „Social-Media-Blase“ (so auch der Artikeltitel) auseinandersetzt. Hier sei kurz das Artikel-Fazit zitiert:

„Social-Media-Dienste haben ihren Höhepunkt längst überschritten. Die User sind gelangweilt von Selbstdarstellungen, Bierzeltatmosphäre und dergleichen mehr. Immer mehr nehmen den Aufwand, der zur Pflege vermeintlicher Freundschaften notwendig ist, als Zeitverschwendung wahr. Es scheint, als stünden wir vor einer Renaissance, bei der eben das im Mittelpunkt steht, wofür das Web geschaffen wurde: der Informationsaustausch.“

Nun könnte man kritisch anmerken, dass diese Beobachtungen auf keinem nachweisbaren Fundament stehen, sondern eher den „Alles-nur-unqualifizierte-Zeitverschwendung“-Attitüden der überraschend SocialMedia-feindlichen ITler-Gemeinschaft angehören, der der Autor aufgrund seiner Biografie zuzuordnen ist.  Auch sonst wimmelt es von netten Plattitüden, etwa wenn es um die Verwässerung des Freundschafts-Begriffs geht: „Der per se sehr bedeutungsvolle Begriff der Freundschaft hat im Social-Media-Zeitalter stark gelitten“.

Besonders lustig auch die Beweisführung zu den Hintergründen des Social-Media-Hypes: „Nachdem die letzten Jahre für die Werbebranchen eine ausgesprochen schwierige Phase war, erhofft man sich durch Social Media offenbar ein neues Betätigungsfeld“. Da haben wir Unternehmen uns wohl nur von cleveren Agenturen etwas einreden und über den Tisch ziehen lassen.

In diesem Argumentations-Stil geht es weiter, und man könnte den üblichen Abwehr-Reflex des erfahrenen SocialMedians ausüben. Und auch wenn die Argumentationslinien vertraut sind (was schade ist, denn niemand kann ernsthaft etwas gegen fundiert kritische Auseinandersetzung mit dem Thema sagen), so fällt doch die Häufung des „Die Blase platzt“-Themas in den letzten Monaten auf. Es wird auf verschiedenen Schauplätzen ausgetragen, mal mehr oder weniger sachlich fundiert, mal mehr oder weniger auf Unterthemen spezialisiert.

Beispielhaft denke ich da an das Thema Facebook und seine unvorhersehbaren Änderungen, die es gerade Unternehmen sehr schwer machen, eine vernünftige Kommunikations-Strategie aufzubauen (und dies ist ja nicht einmal gelogen). Oder zu einzelnen Netzwerken wie Google+, deren Relevanz aufgrund mangelnder Masse angezweifelt wird – ausgerechnet oft von SocialMedians, die ansonsten das Credo „Relevanz vor Masse“ wie eine Monstranz vor sich hertragen. Oder einzelnen Vorreitern, die angesichts der Tatsache, dass Kreti und Pleti inzwischen in den sozialen Kanälen unterwegs sind, die Lust daran verlieren.

Diese negative Grundstimmung nimmt vernehmlich zu (was oben erwähnte Verteidigungsreflexe der Bekehrten nur verstärkt) – und das ist gut so. Sie wird mit Sicherheit noch stärker anschwellen, immer mehr Lichtgestalten des sozialdigitalen Mediums werden sich öffentlichkeitswirksam abwenden. Und auch das ist gut so.

Denn letzten Endes befinden wir uns doch in einer Übergangsphase – und auch wenn ich mitunter bei Gartners Hype Cycle (http://de.wikipedia.org/wiki/Hype-Zyklus) nicht konform gehe, sind doch einige Parallelen zu den beiden stärksten und nachhaltigsten technologischen Entwicklungen der letzten 15 Jahre zu sehen, nämlich dem Internet selbst sowie der Mobilisierung der Kommunikation.

Auch wenn sich inhaltlich und in den Ausformungen die Digitalisierung der Information, die Digitalisierung der Kommunikation und die Mobilisierung aller beider unterscheiden, sind die Verhaltensabläufe doch recht ähnlich, deren lustigste Ausprägungen Aussagen wie „Das Internet wird schon wieder weggehen“ und andere sind. Genausowenig wird die Digitalisierung und soziale Vernetzung der Kommunikation wieder verschwinden – aber vor dem eher auf leisen Pfoten daherkommenden Durchbruch als Alltagstechnologie gehört die Übertreibung und das nachfolgende Menetekel. Zu all dem führt letzten Endes unsere temporär eingegrenzte Sicht auf Entwicklungen, die erst im Rückblick Sinn geben und die zutiefst menschliche Furcht vor Veränderung.

Insofern sehen wir vor uns mit Sicherheit noch das „Tal der Enttäuschungen“. Wir sehen aber auch noch wichtige, weit über das Thema „Social Media“ hinausgehende, aber für die digitale Entwicklung wichtige Diskussionen zu Themen wie „Was passiert mit meinem digitalen Abbild und wem gehört es?“ (jetzt schon zu sehen in den Datenschutz-Diskussionen) oder eher praktische Auseinandersetzungen mit der in Zukunft eher fragwürdigen Trennung zwischen Privatheit und beruflicher Tätigkeit.

Gartner nennt diese Phase „Plateau der Produktivität“, ein etwas euphemistischer Ausdruck für das, was viele ja eigentlich jetzt schon wollen: ganz pragmatisch im Alltag die Möglichkeiten, die sich uns hier privat wie beruflich bieten, nutzen. Nicht mehr, nicht weniger.

Eine Randbemerkung sei mir noch gestattet – nämlich meine Irritation darüber, das ein Magazin, das den Namen „internet magazin“ im Titel trägt, online sehr wenig Präsenz zeigt, weswegen leider auch obiger Artikel nur gedruckt (sic!) verfügbar ist.

Foto: istockphoto

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