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Read It Later – Zwischenspeicher für Lesenswertes

Früher riss ich diejenigen Artikel aus den Fachzeitschriften heraus, die mich zwar interessierten, für deren Lektüre mir jedoch im Moment die Zeit fehlte. Ich lochte sie und heftete sie in Ordner. Zum Späterlesen. Einige Monate später schmiss ich die Inhalte der Ordner jeweils ungelesen weg. Denn die Annahme, ich hätte später mehr Zeit, erwies sich stets als falsch. Heutzutage mache ich mir diese Arbeit nicht mehr, denn ich habe einen ganzen Reigen virtueller Ordnungshelfer zur Verfügung. Natürlich schmeiße ich auch heute noch den Löwenanteil ungelesen weg. Warum sollte sich daran etwas ändern?

Stoßen Sie im Web auf interessante Beiträge oder stolpern Sie beim Feed-Scannen regelrecht darüber, gelangen Sie über kurz oder lang in die Problematik, nicht alles sofort konsumieren zu können. Vielfach sind die gefundenen Beiträge auch zu Referenzzwecken aufbewahrenswert. Wie archivieren Sie solches Material?

Die Möglichkeiten sind mannigfaltig. Und auch die Zahl der verfügbaren Lösungen beeindruckt. Unterschiede gibt es vor allem beim Komfort. Ich habe mir einige Lösungen für Sie angesehen.

Browserbasierte Bookmarklösungen

Wer es sich einfach machen will und nur an einem einzigen Computer arbeitet, verwendet möglicherweise die Bookmark-Funktionalität des Browsers seines Vertrauens. Er richtet sich vielleicht einen Ordner innerhalb seiner Lesezeichenverwaltung ein, den er “Später lesen” oder ähnlich nennt und bookmarkt in diesen Ordner hinein.

Kommt irgendwann doch ein zweiter Rechner ins Spiel, installiert man sich Xmarks, das inzwischen für IE, Chrome, Firefox und Safari verfügbar ist und die Lesezeichen über verschiedene Installationen synchronisiert. Unter Chrome können User mit Googlekonto auch eine native Synchronisationsfunktion nutzen. Die Lesezeichen werden dann über den Account zwischen den Computern synchronisiert und in Google Docs gesichert.

Ist man ein eher visuell orientierter Mensch könnte man sich auch die Firefox-Extension Taboo installieren. Taboo fügt der Symbolleiste zwei Icons hinzu, mit deren Hilfe man offene Tabs speichern und wieder aufrufen kann. Der Zugriff erfolgt über Suchbegriffe oder visuell via Screenshots der abgelegten Website. Zudem kann man sich die in Taboo gespeicherten Websiteadressen auch über eine Kalenderansicht zugänglich machen. Über 400.000 User zählt Taboo angeblich. Meiner Arbeitsweise entspricht die Extension jedoch in keiner Weise. Vielleicht ist es etwas für Sie?

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Nachteil aller bisher genannten Lösungen ist, dass Sie stets eigenhändig die einmal angelegten Bookmarks oder Taboos wieder entfernen müssen, wenn Sie sie tatsächlich nur zum einmaligen Lesen abgespeichert hatten.

Näher an meinen Bedürfnissen ist da schon Scrapbook Plus. Scrapbook Plus ist allerdings im Grunde kein Readlater-Helfer, sondern eher ein vollwertiges Recherchetool. Technisch handelt es sich ebenfalls um eine Firefox-Extension. Scrapbook Plus bringt einen eigenen Menüpunkt mit oder blendet sich auf Wunsch links vom Websiteinhalt ein und erlaubt die komplette lokale Speicherung der angezeigten URL. Das funktioniert schnell und unkompliziert, hat aber den Nachteil, dass sich durch die Ablage in der lokalen Dateistruktur die Ursprungs-URL nicht leicht wiederfinden lässt. Für mich unbrauchbar, da ich Readlater-Dienste zu Recherchezwecken für meine Online-Artikel nutze und deshalb natürlich jederzeit ohne Klimmzüge an die URLs kommen muss, um sie in die Beiträge einbauen zu können.

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Ebenfalls ohne Onlinespeicherplatz arbeitet die Chrome-Extension “Local Read Later”. Sie kommt von der Funktionalität her am ehesten an die später noch zu besprechenden Platzhirsche Read It Later und Instapaper heran. Einmal installiert, präsentiert sie sich als Icon neben der Adresszeile. Wollen Sie eine angezeigte Seite zu Local Read Later (LRL) hinzufügen, drücken Sie STRG + ALT +R.

LRL lässt sein Icon kurz blinken und zeigt dann in Form eines Counters die Anzahl der bereits abgelegten Seiten an. In der Standardeinstellung verschwinden die Links wieder aus LRL, wenn Sie diese einmal angeklickt haben. Auf diese Weise können Sie Ihre Späterleseliste schnell abarbeiten. Wollen Sie dieses Standardverhalten nicht, können Sie es in den Extension-Options einfach abschalten. Weitere Möglichkeiten gibt es nicht, die Kernkompetenz eines Readlater ist damit aber auch abgedeckt.

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Klassische Online-Bookmarkverwalter

Auch wenn ihre große Zeit vorbei ist, Web2.0-Lösungen für die Lesezeichenverwaltung im Web erfreuen sich immer noch einer gewissen Popularität. Und selbstverständlich lassen sich Dienste wie Delicious oder Mister Wong genau wie eine Offline-Lesezeichenverwaltung auch für die Verwaltung einer Späterleseliste nutzen.

Hier legt man der guten Ordnung halber einen Tag an, der zum Beispiel ToRead oder Späterlesen genannt wird, und speichert seine Späterleseliste unter dem gewählten Tag ab. Nachteilig ist auch hier, dass man die so getaggten Artikel manuell wieder löschen muss, nachdem man sie gelesen hat. Alternativ löscht man einfach den Tag an der gelesenen Seite und hält so seine Späterleseliste aktuell.

Extensions für Bookmark-Dienste

Sowohl Delicious wie auch Mister Wong verfügen über gute Extensions für die gängigen Browser. Mein Favorit ist die Delicious-Extension für Firefox, weil sie alle Funktionalitäten einer vollwertigen Lesezeichenverwaltung in eine Sidebar holt und dabei außerordentlich schnell und zuverlässig arbeitet. Für meine Späterleseliste verwende ich Delicious jedoch aufgrund des genannten Nachteils nicht.

Für Delicious gibt es übrigens gute Mobilapps, sowohl für das iPhone, wie auch für Android. Mister Wong ist auf diesen Plattformen nicht einmal mit einer optimierten Website verfügbar.

Beliebte Speziallösungen

Bühne frei für die beiden Platzhirsche unter den Späterleselisten, Read It Later (RIL) und Instapaper (IP). Es ist fast schon erstaunlich, dass RIL und IP eine derart große Fangemeinde besitzen, wo es doch – wie dargestellt – durchaus einfachere Optionen für die Verwaltung seines persönlichen Informationoverflow gibt. Der große Erfolg dieser Dienste ist sicherlich dem hohen Komfortniveau geschuldet. Späterlesen Deluxe könnte man sagen.

Inhaltlich sind sich beide Dienste sehr ähnlich, optisch ist RIL trendiger, während sich IP ganz am klassischen Zeitungslayout orientiert. Für beide Services stehen Extensions für alle gängigen Browser bereit, das Bookmarken in nicht unterstützten Browsern erfolgt per Javascript-Snippet in Form eines Bookmarklet. Natürlich bieten die Extensions deutlich mehr Komfort als das bloße Bookmarken, so kann RILs Firefox-Extension die Späterleseliste sogar offline verfügbar machen. Für Instapaper werden Addons/Extensions nicht vom Hersteller angeboten, dafür gibt es eine Reihe guter Fremderweiterungen, wie beispielsweise AddThis, das man auch für Read It Later und derzeit 304 weitere Dienste verwenden kann..

Nutzen Sie Google Reader, können Sie beide Dienste unter dem “Senden an”-Menü am Fuß eines jeden Feedartikels ansprechen.

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Darüberhinaus erfreuen sich RIL und IP insbesondere großer Unterstützung aus dem Lager der App-Entwickler für iPhone/iPad. Kaum eine App, die mit Nachrichten oder Social Networking zu tun hat, die nicht entweder RIL oder IP oder beide unterstützt. Auch das von mir für das mobile Feedreading verwendete MobileRSS (iTunes-Link) für das iPhone bietet beide Services an. Darüberhinaus gibt es sowohl für IP als auch RIL eine eigenständige iPhone-App, von denen ich jeweils die Pro-Version verwende. Auf dem iPhone kann die Späterleseliste offline abgearbeitet werden, vorausgesetzt man hat sie zuvor online synchronisiert, was bei vielen Einträgen schon einmal ein paar Stunden dauern kann. Androiduser werden sich für Paperdroid, einen RIL-Client interessieren, Instapaper ist derzeit unter Android nicht vertreten.

In jüngerer Zeit erkennt man bei RIL eine stark erhöhte Entwicklungsfrequenz. RIL will offenbar auf allen Plattformen präsent sein und sich mit möglichst vielen Diensten aus dem Social Networking verzahnen. Fraglich ist, inwieweit das noch der Kernkompetenz eines solchen Service entspricht. Instapaper ist da zurückhaltender.

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Schaut man sich die Dienste im direkten Vergleich an, fällt überdies auf, dass Instapaper den größeren Leistungsumfang vorhält. So ist es bei Instapaper etwa möglich, Beiträge einfacher in Ordner zu kategorisieren als bei RIL und auch diese Beiträge später wieder im Ordnerkontext aufzurufen. RILs Ordnerfunktionalität basiert schlicht auf Tags. In Instapaper kann man Artikel nicht nur als gelesen kennzeichnen und damit aus der Liste verlieren. Stattdessen führt Instapaper ein Archiv, in dem alle Beiträge gehalten werden, es sei denn, man hätte manuell auf “Delete” geklickt. Aus diesem Archiv können Beiträge auch wieder zurück in die Späterleseliste geschoben werden. Weiterhin lassen sich in Instapaper Beiträge markieren und als solche in einer separaten Liste aufrufen. Sowohl RIL als auch IP bieten einen Text-Only-View der Beiträge an. Dabei wird das Layout entfernt, so dass sich eine Tageszeitungsähnliche Leseoptik ergibt.

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Häufig berichtet wird auch eine höhere Performance der Instapaper-iPhone-App, die ich allerdings noch nicht feststellen konnte. Obschon im Ergebnis Instapaper hinsichtlich der Funktionen die Nase vorn hat, verwende ich beide Dienste, da ich auf diese Weise die private und die berufliche Späterleseliste strikt voneinander getrennt halten kann. Für die wichtigere berufliche Liste nutze ich Instapaper, vor allem weil mir die einfachere Ordnerfunktionalität besonders wichtig ist.

Weniger beliebte Speziallösungen

Neben den Platzhirschen gibt es eine Reihe weniger bekannter Dienste, die im Wesentlichen das Gleiche leisten. Der Unterschied liegt im Komfort und in der Unterstützung von Seiten externer Anbieter. Wir schauen uns ein paar der Wettbewerber an.

ReadBag

ReadBag ist ein Dienst des Programmierers Thomas Marban, der besonders Android-Nutzern durch DEN Twitterclient Twidroid bekannt sein wird. ReadBag ist schick und schnell. Vom Funktionsumfang ist es näher an Instapaper als an RIL. Hemmschuh ist, dass Marban für die Nutzung des Service Geld verlangt. Dabei handelt es zwar nur um 10 $ pro Jahr (wohl vornehmlich für die Nutzung der Google App Engine). Da es jedoch etliche kostenfreie Alternativen gibt, wird sich der Erfolg in Grenzen halten. Per Smartphone ist ReadBag über zwei verschiedene mobiloptimierte Webseiten zu erreichen. Einen Offlinemodus gibt es nicht.

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LaterLoop

LaterLoop (LL) basiert ebenfalls auf der Google App Engine, ist aber ein kostenloser Vertreter seiner Art. Für LL gibt es eine Firefox-Extension, sowie eine solche für den Internet Explorer. Auch LL liegt funktional über den Möglichkeiten von RIL, spezielle Mobilapps gibt es nicht, die Website ist aber für die Darstellung auf Smartphones optimiert. Der angepriesene Offlinemodus besteht lediglich in der Möglichkeit, sich eine anzugebende Zahl von Artikeln als Zip-File herunterladen zu können. Für die handelsübliche Späterleseliste ohne mobile Ansprüche reicht LaterLoop allemal.

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LaterThis

Ein optisch eher hemdsärmeliger Vertreter seiner Art ist LaterThis aus dem kühlen Schweden. Solide in den Grundfunktionen bietet LaterThis keinen Zusatzkomfort in Form von Extensions whatsoever. Gespeichert wird via Bookmarklet, gelesen wird im Web. Das Webend allerdings liegt funktional oberhalb von RIL. LaterThis ist einen Blick wert, wird es aber im Vergleich aufgrund des geringeren Komforts schwer haben. Interessant für Social Networking Junkies könnte es sein, seine Späterleseliste mit anderen teilen zu können, auch Kommentare sind möglich.

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PaperSpan

PaperSpan bietet die Grundfunktionalität via Bookmarklet, Komfortfunktionen fehlen weitgehend. Die Optik erinnert an einen dunklen Herbstabend im Londoner East End.

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ReadLater.net

Auch das überaus raumgreifende und dabei sehr konservative Design des Dienstes ReadLater.net führt nicht zu spontanen Fangesängen. Darstellungsfehler und eine nicht unbedingt eingängige Bedienerführung sorgen ebenfalls für wenig Begeisterung. Sicherlich, ReadLater.net bietet die Grundfunktionalität, dies aber nur unter Inkaufnahme einer miesen Userexperience.

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ToRead.CC

Zu guter Letzt sei noch der Exot ToRead.CC erwähnt, der einen ganz eigenen Weg der Späterleseverwaltung geht. ToRead.CC bringt die Späterleseliste nämlich in Ihr E-Mail-Postfach. Das funktioniert recht einfach.

Zunächst registrieren Sie sich bei ToRead.CC mit Ihrer E-Mailadresse. An diese E-Mailadresse werden später alle URLs gemailt, die Sie als „to read“ gekennzeichnet haben. Für Ihren Lieblingsbrowser erhalten Sie dann ein Bookmarklet, welches stets dann geklickt wird, wenn ein Beitrag zur Liste hinzugefügt wird. Nach dem Klick sendet ToRead.CC Ihnen eine E-Mail mit dem Link.

Wenn Sie jetzt in Ihrem E-Maildienst oder -programm noch einen Filter eingestellt haben, der Ihnen alle Mails von ToRead.CC in einen separaten Ordner namens beispielsweise ToRead sortiert, verfügen Sie über eine zumindest außergewöhnliche Lösung, die außer Ihrer E-Mailadresse keine Informationen online ablegt.

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3 Kommentare

  1. Herr Meier, Sie twittern nicht nur den ganzen Tag, reisen nicht nur ständig durch die Republik(en), setzen sich auf Vorträge und iPhonen dort, arbeiten vermutlich nebenher, und dann schreiben Sie auch noch solch einen dermaßen umfangreichen, informativen, rechercheintensiven Artikel wie diesen. (Ich stelle das nur mal fest, um es mir vor Augen zu halten.)Sie sind faszinierend produktiv, und ich meine das überhaupt nicht ironisch. Jetzt tut’s kurz weh, ich schneide mir eine Scheibe ab.Herzlichen Dank für diesen Artikel, der helfen wird, mein Lese- und Verarbeitungschaos in den Griff zu kriegen.

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