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Volks-eReader? Hanvon N516 – ein Testbericht von Wenke Richter

Hanvon

Da liegt der erste Ereader, den ich in den Händen halte, vor mir: ein Hanvon N516 – in der sogenannten „Weltbild-Edition“ kostet er nur 149 € und ist damit zur Zeit einer der günstigsten Ereader auf dem Markt.

Zum 5 Zoll großen, 170 Gramm schweren Gerät werden als Zubehör ein USB-Netzadapter, ein USB-Kabel, Ohrhörer, ein schützendes Lederetui sowie eine 2 GB SD-Karte mitgeliefert.
Der erste Eindruck: klein, aber handlich. Im Lederetui (durch Magnete befestigt) liegt der Reader gut in der Hand. Ich habe das Gefühl, ein Taschenbuch in den Händen zu halten.
Aufbau: auf der Bildschirmseite ist die Oberfläche leicht angerauht. Neben dem Bildschirm befinden sich Nummerntasten sowie der Bookmarkknopf. In der unteren Hälfte links findet man die Wechseltaste zwischen Quer- und Hochformat und daneben den Zoom. Auf der rechten unteren Seite sind die Funktionstasten für das Menü und die Steuerung. Eine Besonderheit ist das Trackwheel an der linken Geräteseite, mit dem man durch ein E-Book in zwei Stufen blättern kann: kurzes Antippen blättert eine Seite vor oder zurück, längeres (etwa 3 sec) wechselt um zehn Seiten vor oder zurück. Am Kopf befindet sich der Einschalt-/Ausschaltknopf, daneben der USB-Anschluß und das Steckfach für die SD-Karte. Über Bluetooth oder WLAN verfügt der Hanvon N516 natürlich nicht. Auf der anderen Seite unten ist die Anschlußbüchse für die Kopfhörer. Alle Knöpfe sind sehr filigran und eng beieinander, für Menschen mit großen Fingern wohl nicht immer leicht bedienbar. Auf der Rückseite des Ereaders ist der Reset-Knopf angebracht. Dies schon mal vorab: er kann zu manchen Gelegenheiten als letzte Rettung sehr nützlich sein.
Die Benutzung: nach dem Einschalten (Hochfahren dauert mit etwa 25 sec recht lang) ist man durch den schon alltäglichen Umgang mit Touchscreengeräten (letzter mentaler Schub durch den Ipad-Hype) darauf getrimmt, automatisch den Bildschirm zu berühren. Erste Enttäuschung: das geht bei diesem Gerät nicht und kann man letztlich für diesen Preis wohl heute noch nicht erwarten.
Sechs Funktionen stehen im Hauptmenü zur Verfügung. 1. Weiter lesen: hier werden die letzten neun gelesenen Texte angezeigt. 2. Bibliothek: in den Unterordnern nach deutschen und englischen Büchern sowie Bildern unterteilt. 3. Audio: Abspielen von Audiodateien, Aufnehmen von Audiodateien 4. Abspielen. 5. Systemeinstellung: hier Software-Update, Anzeige der Speicherplatzkapazität, Anzeigemode etc. Der sechste Punkt beinhaltet das Handbuch auf Deutsch. Für die Ordnerstruktur stehen vier Ebenen zur Verfügung. Entsprechend kann der Nutzer seine Dateien auf dem Gerät dann organisieren.
Das E-Ink-Display enthält acht Graustufen. Das Lesen von Texten, auch von längeren, läßt sich gut damit handhaben. Dieser Vorteil, das Nachempfinden von gedruckten Texten, ist ja schon durchaus bekannt. Folgende Formate werden vom Gerät unterstützt: EPUB (DRM), PDF (DRM), TXT, HTXT, HTML, Microsoft Word. Damit ist es auch möglich, den Hanvon zum Lesen wissenschaftlicher Texte zu nutzen.
Der Hanvon N516 ist nicht nur als Ereader sondern auch als eine Art mp3-Player und Diktiergerät konzipiert, was so die Funktionen erheblich erweitert. Ob das Gerät für Textdateien mit integrierten Audiodateien geeignet ist, kann aber bezweifelt werden.
In der Praxis tauchen einige Nachteile bei der Nutzung auf.
1. Das Gerät benötigt zur Verarbeitung von eingegebenen Kommandos einige Zeit. Dies trifft weniger auf das reine Blättern zu, jedoch in der Menüsteuerung. Drückt man zu schnell, kann es leicht zum Systemabsturz kommen. Hier hilft dann nur noch der besagte Resetknopf.
2. ist die Handhabung der links angebrachten Nummerntasten dann unpraktisch, wenn das Gerät mit der Lederschutzhülle bedient wird. Hier muß umständlich gegriffen werden. Eine Anbringung auf der rechten Seite wäre da praktischer.
3. die blaue Leuchte am rechten oberen Rand der Bildschirmseite zeigt eigentlich an, wenn das Gerät arbeitet. Leider ist es bei Sonneneinstrahlung nicht mehr sichtbar.
4. der dreistufige Zoom ist zu gering
5. Die Bücher werden zwar nach den Namen der Autoren sortiert, jedoch erscheinen nur die Titel, da die Ausgabe zu gering bemessen ist. Dadurch ist bei mehreren Texten Verwirrung vorprogrammiert. Längere Titel laufen in drei Punkten aus. Somit werden sie zum Teil zerstückelt, im ungünstigsten Fall sogar so, daß der Titel nicht erkennbar ist. Leider kann mit der Steuerungstaste dieser überhaupt nicht vollständig angezeigt werden. Sehr unpraktisch.
6. Im txt-Format brechen die Zeilen so um, daß zum Zeilenbeginn Einrückungen sind, also gewissermaßen ein Flattersatz. Das stört den Lesefluß ungemein. Für wissenschaftliche Publikationen eignet sich txt überhaupt nicht, da die Seiten nicht fest sind und so nicht zitierfähig.
7. Da das Gerät nur über acht Graustufen verfügt, sehen die Bilder sehr grob aus. Erinnerungen an 1930er Fotografien werden wach.
8. Kaum sinnvoll anwendbar ist die Lesezeichenfunktion (Bookmark) für neun Plätze. Sie kann nur über das einzelne Buch aufgerufen werden. Eine globale Erfassung und Zugriff gibt es nicht. Niemand wird sich über einige Zeit hinweg merken, in welchem Buch er ein Lesezeichen eingefügt hat. Praktischer wäre ein Zugriff über das Hauptmenü mit Metadatenangaben (Autor, Titel, Seitenzahl).
9. Daten können auf dem Gerät nicht gelöscht werden. Die Verwaltung ist ausschließlich über den PC möglich. Das ist unpraktisch, vor allem hinsichtlich der Audiodateien.
10. Der Reader hat eine Aufnahmefunktion. Er kann also auch für Sprechnotizen verwendet werden, was nach der Klangqualität her ganz gut funktioniert (Test im geschlossenen, stillen Raum). Jedoch werden die Dateien im Hauptmenü nicht unter Audio, sondern Abspielen gespeichert (in der Ordnerstruktur unter recorder). Übertragene mp3-Dateien findet man dagegen unter Punkt 3 „Audio“. Nun bleibt hier die Frage offen, warum zwei verschiedene Ordner genutzt werden.
11. Suchfunktionen im Bereich der Bücher fehlen komplett. Eine Tastatureingabe ist nicht vorgesehen.
12. Wünschenswert: Trackwheel würde auch die Regelung der Lautstärke übernehmen, was leider nicht der Fall ist.
Der Hanvon N516 ist ein im Vergleich zu anderen Geräten preiswertes Einsteigermodell im Ereaderbereich. Zusatzfunktionen wie mp3-Player oder Aufnahmefunktion bereichern die Anwendung. Zum längeren Lesen von Belletristik ist er ohne Zweifel gut geeignet: Pluspunkte bei Laufzeit des Akkus, Größe und Gewicht des Gerätes sowie E-Ink-Display. Jedoch behindern einige Schwächen des Gerätes eine unkomplizierte Nutzung. Wohl bei starker Strukturierung der Ordner, bei der Speicherung zahlreicher Bücher wird der Nutzer schnell an die Grenzen des Gerätes stoßen – Unübersichtlichkeit und Verwirrung ist dann angesagt. Letztlich bleibt die Frage im Raum: braucht man ein 150 € teures Gerät zum Lesen auf einem kleinen, einfachen Minicomputer? Für den Technikfreak ist der Hanvon N516 zu einfach, für den Leser wohl und erst recht bei den Preisen von E-Books immer noch zu teuer.

Wenkerichter

Wenke Richter, Historikerin, hat längere Zeit in einem Wissenschafts-, Fach- und Sachbuchverlag u. a. als Lektorin und Layouterin gearbeitet, promoviert z. Zt. an der Universität Leipzig über ein bildungsgeschichtliches Thema, schreibt in ihrem Blog Digiwis über Wissenschaft und Neue Medien mit den Schwerpunkten Open Access, elektronisches Publizieren sowie Social Media, Redakteurin des OpenAccess-Fachjournals „AEON. Forum für junge Geschichtswissenschaft“. Im Netz zu finden unter:
http://www.xing.com/profile/Wenke_Richter
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